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Gut und richtig leben mit dem inneren Schweinehund

Gut und richtig leben mit dem inneren Schweinehund

Titel: Gut und richtig leben mit dem inneren Schweinehund
Autoren: Marco von Muenchhausen
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mit »irgendeiner fremden und fernen Instanz« zu tun oder mit »einem Gesetz, das im Himmel droben oder jenseits der Meere geschrieben wird« – so formuliert es Jesuitenpater Niklaus Brantschen. Wer die Moral betrachtet, sieht einen begrenzenden Bretterzaun.
    Nimmt man dagegen die Tugend in den Blick, rückt der einzelne Mensch in den Mittelpunkt. Die Perspektive öffnet sich hin zu dem »glückseligen Leben«, das die antiken Philosophen besangen. Das der griechischen Ethik eingeschriebene Lebensideal ist nicht der moralische, sondern der tugendhafte Mensch. Ein Mensch, der mit seinen Gefühlen, seinem Verstand und in seinem Handeln gut und richtig zu leben versteht. Er fragt nicht: »Was ist hier und jetzt für mich drin?«, sondern: »Welche Art von Mensch bin ich und möchte ich sein? Wie muss sich dies in meinem Handeln niederschlagen?« Es macht ihm keine Mühe, sich zu mäßigen und das Richtige zu tun – es macht ihm sogar Freude.
    Niklaus Brantschen hat Tugend und Moral einander gegenübergestellt und die Unterschiede deutlich auf den Punkt gebracht: |34| Brantschen sieht die Tugend des Einzelnen als ein Gesetz, das ihm »ins Herz geschrieben ist«. Das klingt poetisch. Doch wie sieht es praktisch aus? Rutscht die Tugend durch Zufall ins Herz hinein, durch Schicksal, oder ist womöglich doch ein Gott im Spiel? Fragt man die Philosophen, bekommt man eine einfach klingende Antwort: »Durch Übung und Gewöhnung.«

    Otfried Höffe, Professor für Philosophie an der Universität Tübingen, erklärt die Sache so: »Nicht wie Musikgeschichte lernt man Tugenden, sondern wie ein Musikinstrument, also praktisch, etwa durch Vormachen des Richtigen und den Versuch, es nachzumachen. (…) Wer immer wieder besonnen handelt, wird zu einem besonnenen, wer sich häufig tapfer verhält, zu einem tapferen Menschen, und durch wiederholt gerechtes Handeln wird man rechtschaffen beziehungsweise gerecht. Zunächst lernt man, tugendhaft zu handeln, und nach erfolgreichem Lernen geht das richtige Tun, wie man bildlich sagt, in ›Fleisch und Blut‹ über.« Oder eben, wie es Niklaus Brantschen formuliert, »ins Herz«.
    Wer es so weit geschafft hat, tut »erstens mit Regelmäßigkeit das Richtige und dieses zweitens ohne jeden inneren Widerstand«, ist Höffe überzeugt. Er lebt »aus einer Haltung heraus«, oder anders gesagt, »aus der eigenen Persönlichkeit« und ist deshalb nicht mehr |35| »der Spielball der auf ihn einwirkenden emotionalen und sozialen Kräfte«.
    »Ohne jeden inneren Widerstand …« – spätestens hier hat Ihr innerer Schweinehund wahrscheinlich die Ohren gespitzt und laut gekläfft: »Wie? Auf tugendhafte Menschen soll ich keinen Einfluss mehr nehmen können!? Das wäre doch gelacht!« Doch Höffe scheint den Schweinehund zu kennen und räumt ein, dass auch ein sonst unbescholtener Mensch angesichts einer starken Versuchung schwach werden kann: »Dem Menschen kann die zweite Natur, die Tugend, nie zur ausschließlichen Natur werden.« Grundsätzlich aber scheint ein tugendhaftes Leben auch in Begleitung eines Schweinehundes möglich zu sein. Das ist die gute Nachricht für Sie.
    Warum der Schweinehund das mitmacht, obwohl er doch von Natur aus eher egozentrisch, faul und unbeherrscht ist? Er profitiert davon, wenn er Sie in Ruhe auf dem Pfad der Tugend wandeln lässt. Denn er kann sein Ziel verwirklichen – Sie fühlen sich gut. Aus folgendem Grund: Wenn Sie sich mühen, tapfer und maßvoll, ordentlich, pünktlich oder höflich zu werden, verknüpfen sich die geübten Tugenden mit starken Gefühlen: Mit Stolz und Zufriedenheit, wenn Sie gut und richtig handeln (und mit Ärger und Scham, wenn Sie es nicht schaffen). In Ihrer Kindheit wurde diese Verknüpfung durch Lob (und Tadel) vonseiten Ihrer Eltern oder Lehrer verstärkt. Das gute Gefühl, das sich einstellt, das ist der Lohn der Tugend. Tugend belohnt und bestraft sich selbst. Tugend mache sogar glücklich, sagt Höffe. Zumindest »meistens«.
    »Schön und gut«, mögen Sie jetzt denken. »Doch was soll dieses altertümliche und immer noch nach Moralin riechende Wort eigentlich heißen: Tugend?« Ursprünglich bezeichnet das Wort ganz allgemein eine exzellente Tauglichkeit, Tüchtigkeit oder Kraft (und kann sich auch auf besonders scharfe Messer, schnelle Windhunde und hellsichtige Augen beziehen). In der Ethik, so Höffe, »bedeutet der Ausdruck die zur Haltung gewordene Fähigkeit und Bereitschaft, als ein hervorragender Mensch zu
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