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Gut genug - Erzählung

Gut genug - Erzählung

Titel: Gut genug - Erzählung
Autoren: Rotbuch-Verlag
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Pseudokrupp. Wenn dein Kind nichts hat, darfst du es niemand sagen, aber ich hatte einmal aus Versehen einer Frau gesagt, ich glaube, Flo hat nichts, als sie gefragt hatte, ob mein Kind auch etwas hätte. Es gehört mit zur Losung, daß du sagst, dein Kind hat dies und jenes. Wenn es nicht psyschosomatisch ist, dann aber wenigstens simuliert. Noch besser chronisch. Und dann wird es repariert. Die Toten und Erschossenen und Erschlagenen arbeiten rund um die Uhr, und natürlich fliegst du raus, wenn du bloß herumsitzt und döst und nichts machst und nicht einmal weißt, wie es geht.
    Also haben wir die Frau an der Kaufhof-Kasse und den Tabakverkäufer gekannt und noch ein paar andere Leute, mit denen wir darüber geredet haben, daß wahrscheinlich der Frühling anfängt, nach dem Wetter zu schließen, und daß der Brennesselkäse schmeckt. Wir hatten es zwei Jahre gemacht und konnten uns nicht mehr sehen. A.C. wollte trotzdem nicht noch ein Kind, und wenn ich nachgedacht habe, wollte ich auch keins, aber manchmal war ich verzweifelt, und dann wollte ich eins, weil ich dachte, entweder noch ein Kind, oder ich sterbe aus Langeweile. Selbstmord Suff Unfall und Krebs.
    Wir haben dann gesagt, besser, wir sehen uns eine Weile nicht mehr so oft. Besser als noch ein Kind.
    In der Zeit haben die Männer wieder angefangen, mir auf den Hintern und auf die Beine zu gucken, und ich habe gedacht, es gibt keinen Grund, warum sie es nicht tun sollen. Man muß sich sehr wundern, daß sie es erst tun, und sobald man ein Kind hat, tun sie es nicht mehr, aber dann fangen sie wieder an. Flo hatte sich die ganze Sprache beigebracht und lauter komplette Sätze, also konnte ich mit ihm sprechen. Manchmal wollte er Sachen anders, als ich sie wollte, und dann haben wir uns gestritten. Er hat zu der Zeit kleine Autos gesammelt und wollte immerzu noch ein Auto haben, aber niemals die Autos, die ich gern gehabt hätte, und dann habe ich gesagt, nimm doch das grüne Auto, aber er hat gesagt, er will das silberne, weil es einen Anhänger hat, ich habe gesagt, das grüne ist aber schneller, und niemals hat es genützt, also haben wir uns gestritten. Einmal ist er nachts aufgewacht und wollte ein rotes Auto. Ich habe gesagt, gut, du bekommst es, jetzt schlaf. Er hat gesagt, er will dieses rote Auto jetzt gleich. Ich habe gesagt, jetzt gleich geht nicht. Der Spielwarenladen hat zu, aber Flo hat sich mit den Öffnungszeiten nicht ausgekannt und hat gesagt, gar nicht zu, und er will dieses rote Auto jetzt haben. Ich dachte, mit Autos kennt er sich aus, aber für Öffnungszeiten ist er bestimmt noch zu klein, also habe ich ihn angezogen, und wir sind losgegangen. Der Spielwarenladen hatte tatsächlich zu, aber Flo ist eingefallen, daß er am Bahnhof noch einen anderen kennt, und also sind wir durch die Nacht zum Bahnhof gegangen, der Wind hat die Plastiktüten vom Vortag und die Anzeigenblätter und das alles aus den Mülleimern in die Einfahrten geweht, es war drei, und um drei ist die Stadt leer und ein bißchen seltsam, besonders wenn der Wind in den Einfahrten raschelt. Auf dem Rückweg fingen die Bäcker gerade an, und Flo hatte die Öffnungszeiten verstanden.
    Irgendwann hat er eine Menge Autos gehabt, und Autos haben ihn nicht mehr so interessiert. Zu der Zeit war er alt genug für den Kindergarten, und alle Kinder im Kindergarten haben Mutanten gesammelt, also wollte Flo auch Mutanten sammeln. Ich hatte gelernt, so zu tun, als wüßte ich, wie es geht, und A.C. hatte es auch gelernt, wir haben Flo abwechselnd hingebracht und aufgepaßt, daß wir die Uhrzeit einhalten, weil sie einem im Kindergarten beibringen, was Zeit ist, wenn man es nicht schon kann, und wir haben so getan, als würden wir es uns beibringen lassen. Im Kindergarten kriegt man alles noch einmal beigebracht, und deshalb ist es im Grunde lustig. Die Kinder tun so, als würden sie all das lernen, aber sie sind eine andere Generation, und deshalb lernen sie nichts von dem Zeug, was die Kindergärtnerinnen vor dreißig Jahren gelernt haben und ihnen beibringen wollen. Den ganzen Tag sitzen die Kinder herum und schneiden mit Kinderscheren Figuren aus Zeitschriften aus, weil es das ist, was die Kindergärtnerinnen vor dreißig Jahren gemacht haben, als die Versandhäuser anfingen und ihre Eltern auf Ratenzahlung in Versandhäusern alles gekauft haben, und jetzt haben es die Kinder wieder gemacht, sie haben Lampions gebastelt, weil ein entfernter Heiliger seinen Mantel zerrissen hat,
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