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Gut genug - Erzählung

Gut genug - Erzählung

Titel: Gut genug - Erzählung
Autoren: Rotbuch-Verlag
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draußen geübt hat, war es noch nicht gefährlich. Aber im Haus.
    Meine Mutter hat manchmal angerufen und gefragt, ob sie sich das Kind holen kann. Einige Male habe ich gesagt, gut, weil ich gedacht habe, es soll eine Großmutter haben, jeder Mensch sollte vielleicht eine Großmutter haben, aber dann habe ich gemerkt, wie sie heimlich das Kind erzieht und ihm Kunststücke beibringt. Sie hat ihm beigebracht, seine Nase in Blumen hineinzustecken und darauf hatschi zu sagen, und das ist etwas, was man am Ende dieses Jahrhunderts in keinem Fall zulassen darf, also habe ich gesagt, ich will nicht, daß du heimlich das Kind erziehst, aber meine Mutter hat es immer weiter erzogen, und schließlich hat Flo eine Menge furchtbare Sachen gemacht. Ich habe gesagt, kannst du nicht Alis Tochter erziehen, aber sie war noch zu klein. Meine Mutter hat gesagt, ich weiß nicht, zu was ich nutze bin, weil es ihr nicht gereicht hat, die Betten zu machen, schwimmen zu gehen und meinem Vater Rezepte zu kochen, und jedesmal hat sie wieder versprochen, Flo diesmal nicht zu erziehen, aber dann hat sie es jedesmal doch gemacht. Sie können nicht anders. Sie hat gesagt, wie soll das Kind später leben, wenn es nicht richtig erzogen wird, und ich habe gesagt, ich weiß nicht. Es ist sonderbar mit dieser Generation. Man kann nicht wirklich sagen, daß sie in diesem Jahrhundert nicht einiges hingekriegt haben, aber es ist ihnen nie genug. Immer müssen sie noch etwas gründlicher weitermachen mit ihren Dumußtnichts und dem Lebensvernichtungsprogramm. Es fängt ganz harmlos an. Erst bringen sie dir bei, deine Nase in Blumen zu stecken und dazu hatschi zu sagen, aber dann geht es immer weiter, und jedenfalls habe ich gesagt, ich will es nicht. Einmal hat sie es fest versprochen und sich die größte Mühe gegeben, Flo einen Nachmittag nicht zu erziehen und ihm nichts beizubringen. Ich habe nicht gewußt, ob ich ihr glauben soll, aber zu der Zeit mußte eine Arbeit von einer Studentin fertiggetippt werden, und also habe ich Flo meiner Mutter gegeben. Die Arbeit ging zufällig über das Geschlecht der Engel. Ob sie männliche Engel oder weibliche wären, ich habe es mir gemerkt, weil der Tag dann so weiterging. Vor Mitternacht sollte der Poststempel drauf. Meine Mutter hat gesagt, du mußt bei der Arbeit nicht immer rauchen, und dann ist sie mit Flo losgegangen, und als sie am Abend wiederkam, hatte sie ihm tatsächlich kein einziges Kunststückchen beigebracht. Ich habe Flo angeguckt und zu meiner Mutter gesagt, wieso hast du es gemacht, weil sie ihm alle Haare abgeschnitten hatte. Meine Mutter hatte noch nie jemand die Haare abgeschnitten, und so sah es aus. Alles war kurz und schief geraten. Sie hat gesagt, daß sie es so viel schöner fände, aber es klang nicht danach, und es sah auch nicht danach aus. Ich bin sehr böse geworden. Sie hat geweint und gesagt, etwas mußte sie machen. Und sie will nicht, daß das Kind so herumläuft und aussieht, du kannst es auch nicht wollen, niemand kann so etwas wollen, also hat sie es auf den Balkon gestellt und die Küchenschere genommen. Ich habe gesagt, die Küchenschere. Und dann. Dann hatte sie angefangen, erst ein bißchen zu schneiden, nur daß die Haare nicht immer so in die Augen fallen, das Kind kann ja gar nichts mehr sehen. Das Kind wird noch schielen müssen. Und dann ist es gleich nicht ganz richtig geworden und weitergegangen wie in dem Film mit den Marx Brothers, wo sie den Schnurrbart immer ungleich schneiden, erst rechts ein bißchen zu kurz, dann links ein bißchen zu kurz, und dann wieder rechts ein bißchen zu kurz, und so immer weiter, und am Ende ist es ein Hitlerschnurrbart. Bei Flo war es kein Schnurrbart, sondern der ganze Kopf. Ich habe gesagt, und Flo, weil ich gedacht habe, er hat bestimmt geschrien, aber meine Mutter hat gesagt, Flo war ganz brav. So ein braves Kind. Ich habe gesagt, wahrscheinlich bist du wütend geworden, weil es gleich nicht ganz richtig geklappt hat, ich bin sicher gewesen, daß man es nur aus Wut tut oder irgendwann damit aufhört, aber meine Mutter hat gesagt, es hat gar nichts mit Wut zu tun. Dann ist A.C. gekommen, und meine Mutter ist schnell gegangen. Meine Mutter ist wegen der unbefleckten Empfängnis immer ganz schnell gegangen, wenn A.C. da war oder gerade kam. Die Engel in der Arbeit waren teils männlich, teils weiblich, irgendwas in der Mitte, und die Sache ist knapp noch so fertig geworden, daß sie vor zwölf aufs Postamt kam.
    Ungefähr zu der
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