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GU Mein Gluecksrezept

GU Mein Gluecksrezept

Titel: GU Mein Gluecksrezept
Autoren: Konstanze Kuchenmeister
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denken. Ich wusste nur: Wenn der Wert des Tumormarkers im grünen Bereich liegen würde, könnte ich beruhigt wieder nach Hause fahren und wäre wieder für drei Monate erlöst. So lang sind die Abstände der Nachuntersuchungen in den ersten Jahren nach einer OP. Nach fünf Jahren, so die landläufige Meinung, gilt der Krebs als besiegt. Weniger bekannt ist, dass auch nach sechs, sieben Jahren die Gefahr nicht völlig gebannt ist und der Krebs aus heiterem Himmel zurückkommen kann. Das ist es, was diese Krankheit so schrecklich macht.
    Angstgegner SCC
    Dieser Tumormarker war mein ganz persönlicher Albtraum. Schon eine Woche vor den Kontrollterminen konnte ich nicht mehr schlafen. Wir lagen dann zu dritt im Bett: Mein Mann, mein iPhone und ich. Ich wusste schon frühmorgens ziemlich genau über die ganze Welt Bescheid – bild.de und spiegel.de sei Dank. Sogar mit dem aktuellen Nikkei-Index konnte ich schon um halb sechs meinen Liebsten entzücken. An der Börse ist’s wie überall im Leben: Es geht hoch und runter und auch mal ganz weit gen Süden. Und ich hatte das Gefühl, an meinem persönlichen Südpol angelangt zu sein.
    Niemals in meinem Leben, nicht vor einer mündlichen Prüfung, vor keinem Examen und auch vor keiner Operation, die ich selbst durchgeführt habe, war ich so nervös gewesen. Höchstens bei der Geburt meiner Kinder. Nur ging es da ins Leben hinein, nicht aus dem Leben weg, einfach weg.
    Drei Jahre lang lag der SCC-Wert bei den Kontrolluntersuchungen unverändert niedrig. Die Angst flaute ab, ich kümmerte mich um meine Kinder, meine Praxis und meine Patientinnen. Alles kam ins Lot, wurde wieder ganz normal. So wie das Haar nach der Chemotherapie wieder wächst.
    Alarm aus dem Labor
    Was ich nicht wissen konnte: Die Angst ließ mich nur vorübergehend aus ihren Klauen; eines Tages sollte sie zurückkehren. Der Tumormarker nämlich hatte sich auf mehr als das Doppelte erhöht. Da wurde ich körperlich ganz klein. Es war einer der Momente, die ich erst lange später mithilfe meiner Träume von Paris und Venedig aus meinem Gedächtnis gelöscht habe. Wirklich vollständig wahrscheinlich erst, als ich dann in der Wirklichkeit mit meinen Kindern oben auf dem Eiffelturm ankam und die Sterne sehen konnte.
    Alles, alles hatte ich durchgestanden, habe immer wieder aufbegehrt gegen das, was mein vermeintliches Schicksal war. Diese Haltung lege ich heute täglich den Patientinnen in meiner Arztpraxis ans Herz. Und dann das! Bitte nicht schon wieder! Nicht schon wieder diese Angst! Beim Blick auf den Anstieg des Tumormarkers setzte mein Herz fast aus. Der Krebs hatte mich offenbar wieder im Griff, und zwar ganz und gar. Er gönnte mir nicht das kleinste bisschen Gnade.
    Ich biss mir auf die Lippen, schmeckte das Blut in meinem Mund. Ich war doch erst 37. Ich würde alles und alle verlieren. Meinen Mann nicht mehr sehen. Und was sollte aus meinen Kindern werden? Meine Große war damals acht, Konstantin gerade eingeschult worden, und die Zwillinge hatten ihren dritten Geburtstag gefeiert. Sie waren doch alle noch so klein und brauchten mich. Ich durfte jetzt nicht sterben. Nein und dreimal nein. Dem Krebs war das egal.

    Der ganz reale Albtraum
    Das war einer dieser Momente, in denen man sich nur eines auf der Welt wünscht: sofort aufzuwachen und den Kopf zu schütteln über einen schlimmen Traum. Um mich herum und in mir drehte sich alles.
    Als Ärztin, die schon Hunderte von Krebspatientinnen betreut hat, bin ich bestens informiert: Ich glaubte zu fühlen, dass mein Körper von Metastasen durchsetzt war. Und ich würde erleben, wie meine Organe, meine Nieren, die Leber, die Lunge langsam versagen. Ich hatte also noch drei Monate Zeit, ungefähr … Drei Monate, um meine Dinge zu ordnen, den Kindern die Schulsachen für das nächste Schuljahr zu besorgen und mich von ihnen und von meinem Mann zu verabschieden. Dann hätten meine vier Kinder keine Mutter mehr, und mein Mann wäre alleine – mit unseren Träumen vom Glück. Unsere gemeinsamen Ziele und Wünsche für die Zukunft wären zerstört. Es würde ein langsamer Tod werden, ein quälend zäher Abschied. Ein kleiner Rest eines Lebens, das man nur noch unter starken Schmerzmitteln aushält und dennoch voller Wehmut verlässt.
    Mein baldiger Tod war für mich in diesem Moment eine schlichte Tatsache, denn der außergewöhnliche Anstieg des Tumormarkers konnte nur eines bedeuten: Kein Mensch auf der Welt konnte mir nun mehr helfen. Kein Professor, keine
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