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Gruber Geht

Gruber Geht

Titel: Gruber Geht
Autoren: Doris Knecht
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Blödsinn. Wie toll er ist in seinem Job, und dass alle anderen Arschlöcher sind und ihm nicht das Wasser reichen können, und was er für ein Mover und Shaker ist, und wie die alle auf der Landstraße dahingrundeln, er aber auf der Autobahn, Überholspur. Und wie er einen nach dem anderen hinter sich lässt, die kleinen Versager, und wie ihre Frauen und Freundinnen ihn anbaggern, und die Firma wird er früher oder später übernehmen oder mit einer eigenen in den Ruin treiben. Unfassbarer Stuss, ziemlich Borderline. Ich versuchte ihn von der Schiene herunterzubringen, über das Dylan-Konzert zu reden, zu dem wir im Jahr davor gefahren sind, aber es hatte keinen Sinn. Also hörten wir ihm zu, weil wir eh nicht zu Wort kamen. Und weil wir merkten, dass er sonst nichts hatte. Nichts zu erzählen, kein Leben, er hatte nichts als diese Heldengeschichten. Er ging uns auf die Nerven und er tat uns leid. Also mir und Mutter tat er leid. Ben war es, glaube ich, egal, der grinste nur blöd, und Tom verachtete ihn, Tom hasste ihn und wurde schließlich so aggressiv, dass sie zu streiten anfingen und sich zu beschimpfen. Arroganter Yuppie, sagte Tom, Scheißspießer, schrie Johnny, alle seid ihr Scheißspießer in eurer kleinen Rent-a-Biedermeier-Idylle hier – ein, wie ich fand, für einen derart Zugedröhnten überraschend luzider Treffer. Als Mutter schließlich dazwischenging, stand Johnny wortlos auf, stolperte die Steinstiege hinunter und verschwand im Dunkeln. Wir blieben sitzen und starrten in die Nacht, in die Richtung, wo das Meer rauschte. Mutter war blass und wirkte deprimiert. Später hörten wir ihn zurückkommen, alle hörten ihn, er polterte, er flüsterte, er kicherte und er war nicht allein, und wer immer sie war, sie schrie dann so laut, dass keiner mehr ein Auge zutat. Tom und ich schliefen danach im Urlaub nicht mehr miteinander, und Mutter sah nicht mehr glücklich aus, auch nicht, als Johnny wieder abgereist war.

Kathi ist, soweit Gruber das beurteilen kann, glücklich verheiratet. Halt mit einem Spießer. Jedenfalls hält Gruber ihn für einen Spießer, nein, der Spießer ist, so Gruber, objektiv ein Spießer. Ein Bobo-Spießer. Sie haben drei Kinder, um die sich der Spießer mit erstaunlichem Zeitaufwand mitkümmert, ein Mädchen, einen Buben, noch einen Buben, das Ganze ist eine Art Playmobil-Nachbau von Grubers Herkunftsfamilie. Gruber findet das ein bisschen spooky. Er begegnet dem kleinsten Kind, wie heißt es noch mal, mit einer gewissen solidarischen Zärtlichkeit, ach ja, Pius, also, soweit Gruber zu Zärtlichkeiten im Zusammenhang mit Kindern überhaupt in der Lage ist. Dummer Name, Pius. Allerdings haben Kathi und der Spießer ihr drittes Kind gewollt und geplant. Anders als seine Eltern ihn, jedenfalls vermutet Gruber das, angesichts eines älteren Bruders namens Benjamin. Der Spießer ist Architekt, er hat ein eigenes Büro in einem Souterrain mit Studenten als Mitarbeitern. Gruber hat noch nie irgendetwas gesehen, was der Spießer gebaut hätte, er will auch nichts sehen. Was wird das schon sein: Kindergärten vermutlich, Bioläden und Low-Budget-Dachbodenausbauten, nichts, was Gruber je in seinem Leben brauchen oder auch nur betreten wird. Wochenends bastelt er vermutlich an dem Sommerhaus herum, das er geerbt hat. Verdienen tut er jedenfalls nichts, das Lulu, soweit Gruber weiß, bringt Kathi das Geld nach Hause, und wenn es sich nicht ausgeht, springt wohl Mutter ein und sorgt dafür, dass das Leben so einfach ist, wie Leute wie sie und Kathi es sich ausmalen. Obst muss dekorativ in einer schönen, schweren Schüssel liegen. Soßen müssen sämig sein. Die Farbe blau macht traurig, außer am Meer und man hat Urlaub. Ein Auto braucht einen großen Kofferraum. Weiß lackiert schaut alles besser aus. Bunte Kissen bringen Freude ins Leben. Man sollte Kinder haben. Man muss sich nur an die Gebrauchsanleitung halten, dann ist das Leben leicht.
    Er wird sie jetzt gleich anrufen, denkt Gruber, während er von seinem Hotelbett aus den Fernseher dirigiert, wie alt wird sie? Ach ja, vierzig. Typisch, dass sie nicht einmal eine Party macht. Oder sie macht eine und hat ihn nicht eingeladen, weil sie weiß, dass er eh nicht kommt. Kleine Brüder sind verwöhnt, unzuverlässig und nicht satisfaktionsfähig, das steht vermutlich auch in der Gebrauchsanweisung. (Sie haben auch Schmerzen, die in ihrem Inneren pochen, wo sind die Pillen, da sind die Pillen, und es sind noch genug davon da.) Im Fernseher
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