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Gruber Geht

Gruber Geht

Titel: Gruber Geht
Autoren: Doris Knecht
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Wenn Johnny etwas kaputt gemacht hat, bleibt uns für immer das Bewusstsein, dass es einmal anders, besser, vollständiger war. Aber er gehört nun mal zur Familie, da kannst du nichts machen.
    Ein makelloser, sonniger Tag am Strand reihte sich an den anderen. Es war schön. Die Kinder waren glücklich. Das Meer war warm für die Jahreszeit, sie pflügten durchs Wasser und riefen «Relax, relax!» und «easy!». Mutter war auch glücklich, sie hatte bei einem ihrer Frühmorgenspaziergänge einen Fischer angesprochen, und der blieb nun jeden Tag mit seinem Kombi vor dem Haus stehen und wir kauften frischen Fisch aus dem Kofferraum. Alle hatten eine gute Zeit, selbst Tom, der so Großfamiliensachen sonst eher verzichtbar findet. Vormittags lagen wir am Strand, mittags trieben wir die Kinder aus dem Wasser und hinauf zum Haus und aßen, was Mutter gekocht hatte, Wachtelbohnensalat, Tomatensalat, Polpo-Salat, Bruscetta, Tsatsiki, Tabuleh, angebratenen Aal, Sardellen in Zitronensoße und tranken Wein dazu. Die Kinder bekamen Nudeln und Palatschinken. Dann legten wir den Kleinen schlafen, die Größeren spielten Nintendo oder schauten Filme, und Tom und ich gingen ins Bett. Es war schön. Dann kam Johnny, und es war ein bisschen wie in diesem Andersen-Märchen von der Schneekönigin. Wir hatten auf einmal Eisklumpen in unseren Augen und unseren Herzen. Wir konnten nicht mehr richtig sehen und nicht mehr richtig fühlen. Oder eben: Wir konnten plötzlich richtig sehen. Wir sahen das Schlechte. Das Aufreibende. Das Nervige. Die Risse. Johnny brauchte nur noch so ein bisschen daran zu wackeln. Danach ließ sich die Idylle nicht mehr richtig zusammensetzen. Teile fehlten. Jemand hatte sie verloren. Jemand hatte sie versteckt. Jemand hatte sie verschluckt.
    Johnny kam in einem nagelneuen Auto. In einem roten, offenen Porsche. Mit lautem Gehupe und einer Ray-Ban-Pilot auf der Nase, die Brusthaare schauten ihm aus dem Poloshirt. Tom grinste von hier bis dort, als der Porsche vor dem Haus parkte, es war klar, das konnte nur Johnny sein, so konnte nur Johnny ankommen, und nur so konnte Johnny ankommen, es war so ein Klischee. Er stieg aus und zog eine dicke Vuitton-Tasche vom Beifahrersitz – echt, eine klassische Ficken-und-Shoppen-in-Paris-Tasche mit fetten Logos – ich konnte Tom gar nicht ansehen. Er kam die Stiege herauf, umarmte Mutter, busselte mich, haute Ben und Tom auf die Schultern, wuschelte die Kleinen. «Schön hier. Sehr idyllisch. Sehr echt. So authentisch ... Und diese Monoblock-Sessel, ganz reizend.»
    Andere bringen den Kindern einfache kleine Geschenke mit, er gibt ihnen Geldscheine. Zu große Geldscheine. Finden die natürlich super, die rasen zu den Pipifax-Ständen auf dem Dorfplatz und kaufen den ganzen Mist made in China, den wir ihnen bis dahin Tag für Tag eisern verweigert hatten, Schlüsselanhänger, Schirmkappen, Plastikmonster, die sich noch am gleichen Tag selbst zerstören. Da grinste Tom schon nicht mehr so breit. Er versucht die Kinder – also wir beide versuchen es – zu einer gewissen Demut zu erziehen, sie Respekt vor Sachen zu lehren, wir wollen, dass ihnen klar ist, wo die Dinge und das Essen herkommen, dass das eine globale Auswirkung hat, was wir kaufen und was wir essen. Johnny pfeift auf das. Hat er ja auch irgendwie recht. Es sind Kinder, sie können nichts dafür. Trotzdem.
    «Hübsches Zimmer. Nicht so schmerzhaft hell. Und nicht so beängstigend geräumig.»
    Ich hörte ihn von unten in der Küche, wo ich Antipasti auf eine Platte häufelte und spürte, wie Mutter sich von ihren Enden her aufrollte. Ich konnte hören, wie sie rot wurde, wie schlechtes Gewissen sich durch ihre Blutbahn pumpte. Selbstverständlich hatte sie versucht, ihm eines der schöneren Zimmer freizuhalten, war dann aber selber unsicher geworden, ob er sein Versprechen halten, ob er wirklich kommen würde, und hatte sich von uns die schöneren, helleren, größeren Zimmer abhandeln lassen. Siehst du ihn irgendwo? Wir sind da. Johnny ist nicht da.
    «Ich war mir ja gar nicht sicher, ob du überhaupt kommen würdest»
    «Mama. Wie könnte ich auch nur daran denken, nicht zu kommen?»
    Natürlich hatte er daran gedacht, er war ungeheuer nahe daran gewesen, nicht zu kommen. Ich selbst hatte mehrere durchwegs nervenzerfetzende Telefongespräche mit ihm geführt, die alle damit begannen, dass er zehn Gründe aufzählte, die ihn leider daran hinderten zu kommen und die sehr viel später damit endeten, dass er
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