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Grrrimm (German Edition)

Grrrimm (German Edition)

Titel: Grrrimm (German Edition)
Autoren: Karen Duve
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ziehen. Wenn du verlierst, nehme ich sie mit in meinen Sarg.«
    »Das klingt nur fair«, sagte ich, »aber Rotkäppchen muss die Liste führen, damit es nachher keinen Streit gibt.«
    Gleich mit dem ersten Wurf räumte ich neun Knochen ab. Brani sah mich verblüfft an und stellte die Kegel wieder auf. Aber dann kegelte auch er alle Neune und mit dem nächsten Wurf auch und dem übernächsten und überhaupt fast jedem Wurf. Und bei mir waren die Ergebnisse doch eher durchwachsen. Und nach zwanzig Würfen stand es schon 168 zu 114, obwohl Rotkäppchen bereits zu meinen Gunsten geschummelt hatte.
    »Es liegt an den Schädeln, die schüppeln nicht richtig«, sagte ich, »Kegeln ist schließlich eine Präzisionssportart.«
    »Tja«, sagte Brani, »da hast du wohl recht. Aber was soll man machen? Auf die Schnelle habe ich nichts Besseres gefunden. Wenn du möchtest, können wir die Schädel ja tauschen.«
    »Ich wüsste schon Hilfe«, sagte ich. »Im Schuppen der alten Uchatka steht noch eine Drehbank. Da können wir die Schädel schön rundschleifen, und dann wirst du sehen, wer der bessere Kegler ist.«
    Istvan ging mit mir in den Schuppen. An einem Balken hing die alte Uchatka, an ihren Füßen aufgeknüpft und säuberlich und der Länge nach in zwei Hälften geteilt. Ich tat, als würde ich sie gar nicht sehen, packte die Schädel auf die Drehbank und verpasste ihnen den nötigen Schliff.
    Dann kegelten wir weiter, und als wir Rotkäppchen beim fünfzigsten Wurf nach dem Zwischenstand fragten, stand es 438 zu 370 – und die 370 hatte ich auch bloß, weil Rotkäppchen hemmungslos betrog.
    »Es liegt an deinen langen Fingernägeln«, sagte ich zu dem Wiedergänger. »Die geben dem Schädel einen Drall, dass er zwischen den Kegeln hin und her flitzt wie ein Kreisel, aber mit Kegeln hat das nicht mehr viel zu tun.«
    »Du kannst wohl nicht verlieren«, lachte Brani. »Aber wenn du darauf bestehst, werde ich sie abschneiden. Auch wenn es für einen Wiedergänger eine Schande ist, mit kurzen Fingernägeln erwischt zu werden.«
    »Nein«, sagte ich, »ich will das tun. Ich feile sie dir an der Drehbank rund. Sonst fällt dir ja doch bloß wieder eine Schummelei ein.«
    »Mach das«, sagte Brani, »es wird dir ja doch nichts nützen.«
    Also gingen wir noch einmal in den Schuppen und stellten uns vor die Drehbank.
    »Wie soll das denn jetzt bitte funktionieren«, sagte Brani und hielt mir seine dreckigen Hände mit den langen Klauen hin. Ich öffnete mit einer Hand den Schraubstock, tat, als würde ich nach einer Feile suchen, und bat ihn so beiläufig wie möglich, die Fingernägel in den Schraubstock zu stecken.
    »Gleich beide Hände. Das spart Zeit«, sagte ich, und kaum war er dem nachgekommen, zog ich den Schraubstock fest zu.
    »Oh, du Hund«, rief Brani, der im selben Moment merkte, dass ich ihn gefangen hatte. Ich griff mir ein langes Eisenrohr, das ich mir schon bei unserem ersten Besuch im Schuppen ausgespäht hatte, und prügelte damit auf ihn ein.
    »Was hast du mit Rotkäppchen gehabt«, brüllte ich. »Hast du mit ihr geschlafen? Sag ja nicht, dass du mit ihr geschlafen hast, sonst breche ich dir jeden Finger einzeln.«
    »Hab ich nicht, hab ich nicht«, heulte Istvan Brani. »Wir sind gar nicht verlobt. Sie hat mich bloß gepflegt, als ich krank war. Schlag mich nicht mehr, ich bin doch schon tot. Was willst du mehr? Toter als tot geht nicht.«
    »Doch«, sagte ich. »Ich will, dass du in deinem verdammten Grab bleibst und dich nicht von der Stelle rührst, bis die Engel der Apokalypse ihre Posaunen blasen.«
    Aber dafür musste ich ihm erst noch den Kopf abschlagen. Die Touristen denken immer, man tötet einen Wiedergänger, indem man ihm einen Pflock durchs Herz treibt. Aber das tut man bloß, um ihn in seinem Sarg festzunageln. Um ihn ein für alle Mal zu töten, muss man seinen Kopf abschlagen und sein Herz in Stücke hacken und verbrennen. Ich suchte bei dem Balken, an dem die beiden Hälften von Großmuter Uchatka hingen. Dort musste schließlich auch irgendwo eine Axt herumstehen. Währenddessen schaffte es Brani, seine linke Hand zu befreien, indem er sich die Nägel einen nach dem anderen aus dem fauligen Fleisch riss. Als ich die Axt endlich gefunden hatte, sah ich gerade noch, wie er den Schraubstock aufdrehte. Er rieb sich die Handgelenke und starrte mit entblößten Eckzähnen zu mir herüber. Dann sackte er plötzlich über der Drehbank zusammen. Ein kleines Beil steckte in seinem Hals, und es
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