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Grrrimm (German Edition)

Grrrimm (German Edition)

Titel: Grrrimm (German Edition)
Autoren: Karen Duve
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war Rotkäppchen, die dieses Beil hielt. Mit drei Schritten war ich bei ihr, sie trat zurück und ich trennte Istvan Branis Kopf mit der Axt vom Leib. Eine Menge Blut sprudelte aus seinem Hals, denn er hatte erst kurz zuvor die alte Uchatka ausgesaugt. Ich ließ ihn vollständig ausbluten, dann öffnete ich seine Brust und schnitt das Herz heraus.
    »Wo ist eigentlich Rocky?«, fragte ich. »Hat sich die feige Töle verdrückt?« Rotkäppchen schüttelte bloß den Kopf und ich hakte nicht weiter nach. Wir gingen zurück ins Haus, und während ich das Herz in kleine Stücke hackte, machte Rotkäppchen ein Feuer, und als das Feuer hell brannte, warf ich das Herz hinein.
    »Damit ist die Verlobung ja wohl aufgehoben«, sagte ich. »Du warst doch nicht wirklich mit ihm verlobt, oder?«
    Rotkäppchen schnaubte verächtlich. »Du hast gar kein Recht, eifersüchtig zu sein. Du hast mit Istvan um mich gekegelt, und du hattest noch nicht mal Angst, gegen ihn zu verlieren. Du bist auch nicht besser als meine Familie.«
    »Bin ich wohl«, sagte ich. »Bei mir ist es ein wissenschaftlich beschriebenes Krankheitsbild. Deine Familie ist einfach bloß gemein. Außerdem behauptet meine Therapeutin immer, dass meine Eifersucht der Beweis dafür sei, dass ich doch Angst empfinden könne – Verlustängste oder so.«
    »Still«, sagte Rotkäppchen und legte mir einen Finger auf den Mund. »Du darfst jetzt keine Angst haben.«
    Sie schob einen Ärmel hoch und zeigte mir eine kreisrunde Wunde.
    »Da hat Großmutter mich noch schnell gebissen, bevor Istvan sie in den Schuppen zerrte.«
    »Herrje«, sagte ich, »das ist doch nicht zu fassen. Was ist bloß mit den Leuten in deiner Familie los?«
    »Sie hat es für mich getan«, sagte Rotkäppchen. »Großmutter ist ein Werwolf und sie hat es getan, damit ich auch ein Werwolf werde und mich gegen Istvan Brani verteidigen kann. Aber es hat nicht funktioniert. Jedenfalls nicht sofort. Du weißt, dass es jederzeit ausbrechen kann?«
    Ich nickte. Rotkäppchen nahm ihre rote Kappe ab und knetete sie in den Händen. Die schwarzen Locken quollen ihr über die Schultern.
    »Wäre das ein Problem für dich? Ich meine, … wenn ich anfange umzugehen.«
    »Ach was«, sagte ich. »Dann brauchen wir später eben getrennte Schlafzimmer. Ich lege nachts den Riegel vor, und wenn es scharrt und winselt und eine graue Schnauze sich in dem Spalt unter der Tür zeigt, kriegst du einen drauf.«
    »Es ist gut, dass du keine Angst hast«, sagte Rotkäppchen. »Ich wüsste sonst nicht wohin.«
    »Ich brech die Therapie ab«, sagte ich, »macht ja jetzt keinen Sinn mehr.«
    Elsie beugte sich vor und warf endlich die blöde Kappe ins Feuer.

Das Buch
    Karen Duve begeistert sich seit jeher für die die Märchen der Brüder Grimm.
    Darin allerdings geschieht viel, was mit dem gesunden Menschenverstand nicht zu erklären ist!
    Wie wahrscheinlich ist es zum Beispiel, dass eine außergewöhnlich gut aussehende junge Frau den Haushalt für sieben mittelalte kleinwüchsige Junggesellen führt und sich nicht einer der Herren an sie ranmacht? Und: Wer glaubt wirklich, dass ein echter Prinz sein Leben mit einer Frau verbringen will, die bereits mit sieben Männern gelebt hat? Wie kann es sein, dass eine wichtige Fee von einer Taufe ausgeladen wird, nur weil nicht genügend Teller vorhanden sind? Wie gestaltet es sich praktisch, wenn man nach einem hundertjährigen Schlaf unter Zentimeter dicken Staubschichten aufwacht? Und überhaupt: Wie hält sich ein Prinz fit, der hundert Jahre warten muss, bis er seine Prinzessin wach küssen kann?
    Karen Duve kam nicht umhin, ihre eigenen Versionen der Geschichten zu erzählen. Und die sind voll von dem, was Duves Romane sonst auch auszeichnet: familiäre Abneigungen, Bindungsängste, bizarre Liebesvorstellungen, Vaterkomplexe, Selbstzweifel, Trotzreaktionen und Minderwertigkeitsgefühle.
    Was dabei herauskommt, sind komische und gnadenlos abgründige Geschichten in bester Duve-Manier.

Die Autorin
    Karen Duve, 1961 in Hamburg geboren, lebt auf dem Lande in der Märkischen Schweiz. Von ihr sind bereits erschienen Regenroman (1999), Dies ist kein Liebeslied (2002), Die entführte Prinzessin (2005) und Taxi (2008), die mittlerweile in 14 Sprachen übersetzt sind.
    Zuletzt erschien von ihr Anständig essen (2010).
    Die grimmigen Initialen zu Beginn der einzelnen Märchen wurden eigens für diesen Band von Kat Menschik gefertigt.
    Vorfassungen folgender Märchen wurden bereits
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