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Grrrimm (German Edition)

Grrrimm (German Edition)

Titel: Grrrimm (German Edition)
Autoren: Karen Duve
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einfach für uns. Wir sagen, ich wäre mit der Hand in den Rasenmäher gekommen.«
    »Du hast Rocky getötet«, sagte ich. »Ausgerechnet jetzt, wo ich mich mit ihm angefreundet hatte. Ich dachte, du magst ihn.«
    »Das war ein Unfall. Eigentlich wollte ich dich fressen, jedenfalls der Wolf in mir wollte das. Zum Glück kann ich ihn ja kontrollieren. Aber es ist nicht leicht, und wie der Hund dann direkt vor meiner Nase herumgekrochen ist, hat es stattdessen ihn erwischt. Außerdem hatte der einen miesen Charakter. Ich habe von Anfang an nicht verstanden, warum du ihn unbedingt behalten wolltest. Du bist doch überhaupt nicht mit ihm zurechtgekommen.«
    Plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen.
    »Du hast Vater gebissen. Und Istvan Brani!«
    »Ich konnte Kimi noch nie leiden«, sagte Großmutter kühl. »Er ist ein Taugenichts. Ihr seid ohne ihn viel besser dran. Und Istvan Brani war noch schlimmer. Nicht auszudenken, wenn aus ihm ein Wiedergänger werden sollte. Ich hoffe, Stepan nagelt ihn gerade mit einem Pflock in seinem Sarg fest. Ich hätte die beiden nicht beißen müssen. Wenn ich gewollt hätte, hätte ich das auch kontrollieren können. Ich wollte es bloß nicht kontrollieren. Aber ich kann das. Ihr müsst mich wirklich nicht …«
    Sie verstummte und sah mich unterwürfig an. In diesem Moment klopfte es an der Tür. Ich hatte Stepan nicht so früh erwartet, aber ich war erleichtert, dass ich nun nicht mehr allein entscheiden musste, was mit Großmutter geschehen sollte.
    Stepan
    Der Pfarrer leuchtete mir mit einer Petroleumlampe, während ich grub. Aber als ich mit dem Spaten auf Holz stieß, stellte er die Lampe neben dem Grab ab, rannte zum Geräteschuppen und schloss sich dort ein.
    »Ich kann das nicht mit ansehen«, rief er mir durch die geschlossene Tür zu. »Das ist zu gruselig. Am besten, du schaust zuerst, und wenn es erträglich ist und der Kerl sich nicht bewegt, rufst du mich, und ich komme wieder heraus.«
    Ich wollte den Sargdeckel aufstemmen, aber er lag sowieso nur noch lose auf.
    »Siehst du schon etwas«, rief der Pfarrer, »bewegt er sich? Hat er das Grabtuch im Maul? Pass bloß auf, dass er dich nicht anspringt.«
    »Sie können wieder herauskommen«, rief ich zum Geräteschuppen hinüber, »der Sarg ist leer.«
    »Leer?«
    Der Pfarrer kam aus dem Schuppen, nahm die Lampe auf und hielt sie über das Grab. Nervös sah er sich nach allen Seiten um.
    »Dann ist er wieder unterwegs. Hoffentlich schleicht er jetzt nicht gerade auf dem Friedhof herum.«
    Im Sarg lag ein weißes Stück Leinen in der Größe eines Schnupftuchs. Ich hob es auf.
    »Das ist der Rest vom Leichentuch«, sagte der Pfarrer. »Jedes Mal, wenn ich am Grab vorbeikam, habe ich gehört, wie er unter der Erde daran schmatzte. Aber jetzt braucht er wohl etwas Gehaltvolleres. Gott sei Dank gibt es im Moment keine frischen Gräber. Das war eine furchtbare Unordnung letzte Woche.«
    Fragte sich nur, was Istvan Brani dann an Stelle der Leichen ausschlürfen würde. Auf einmal schien es mir keine besonders gute Idee mehr zu sein, dass Rotkäppchen bei ihrer Großmutter im Wald auf mich wartete. Ich bat den Pfarrer, mir sein Mofa zu leihen. Er besaß eine alte Velo Solex, die er wie seinen Augapfel hütete und normalerweise nur im Sommer und bei trockenem Wetter benutzte. Doch jetzt holte er sie ohne zu zögern für mich aus dem Schuppen. Sie sprang an wie eine Eins, und ich schwang mich drauf und knatterte mit gegrätschten Beinen los, pflügte durch den kniehohen Schnee mitten in den Wald hinein. Zwischendurch musste ich schieben, das heißt: Mal schob ich die Velo Solex, mal zerrte ihr Motor mich durch die Schneewehen hinter sich her, und wenn der Schnee nicht mehr ganz so hoch lag, schwang ich mich wieder darauf, und es ging flott voran. Das Licht schnitt einen scharfen gelben Keil in die Dunkelheit. Etwa einen Kilometer vor dem Haus der alten Uchatka stellte ich den Motor aus, lehnte die Velo Solex an einen Baum und ging die letzten Schritte zu Fuß. Ich wusste ja nicht, was mich erwartete. Von Weitem sah das Haus der Großmutter ganz friedlich aus. Die gelben Vierecke der beiden Fenster versprachen Wärme, Trost und Geborgenheit, und als ich näher schlich, sah ich Rotkäppchen am Tisch sitzen, vor sich einen Teller mit Gulasch, und an der Feuerstelle stand die Großmutter und hatte ihre altmodische schwarze Haube auf. Ich klopfte an.
    »Herein«, rief es von drinnen, und ich trat ein. Es war ungewöhnlich kalt in
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