Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Großstadt-Dschungel

Großstadt-Dschungel

Titel: Großstadt-Dschungel
Autoren: Sarah Mlynowski
Vom Netzwerk:
dich anschaue, habe ich sie immer. „Aber was ist mit Iris? Sie sollte den Sommer über doch bei mir sein?“
    „Lass das mal meine Sorge sein. Du musst tun, was für dich im Moment das Beste ist. Europa! Wie aufregend!“
    Irgendwas sagt mir, dass ich nicht nach Boston zurückkomme, wenn ich erst mal weg bin. Jedenfalls nicht zum Leben. Bin ich schon bereit, Boston einfach so zu verlassen? Vermutlich lande ich in New York. Andererseits, wenn ich hier bleibe, laufe ich ständig Gefahr, über Andrew oder Jeremy zu stolpern. Und was ist mit meiner Mitbewohnerin? Habe ich Lust, das nächste Jahr Kalorien zu zählen und sie in einen mit Trauben bedruckten Spiralblock zu schreiben?
    „Ich habe ein gutes Gefühl bei der Sache“, sagt Janie. Janie hat es mit ihrem „guten Gefühl“. Sie behauptet ein bestimmtes Maß an seherischen Fähigkeiten zu haben. Vielleicht habe ich deswegen nur ein bestimmtes Maß an innerer Weitsicht. „Sollten wir womöglich nach London ziehen?“ überlegt sie laut.
    Ich rufe meinen Dad an, und der sagt so ziemlich das, was ich von ihm erwarte, dass es nämlich unverantwortlich wäre, nach Europa zu reisen. „Du benimmst dich wie deine Mutter“, meint er. „Unfähig, etwas richtig durchzuziehen.“ Ich bin mir nicht sicher, ob er meinen abgebrochenen Master oder ihre Ehe meint. Will ich mir das anhören? Breche ich alles ab? Ich sage ihm, dass ich Schluss machen muss.
    Was soll ich nur tun? Ich brauche Führung. Ich brauche Hilfe. Ich brauche Antworten … Ich brauche wirklich einen Hellseher. Ich habe eine Idee! Jo-Jo! Ich brauche Jo-Jo, die weltbekannte Wahrsagerin und Kosmetikerin (nebenbei auch zuständig für Haarverlängerung und künstliche Fingernägel). Wie kann ich Jo-Jo erreichen? Ich sehe mich im Büro nach einer Zeitung um. Wo ist Jo-Jo? Ihre Hotline taucht mysteriöserweise nicht in den üblichen Rubriken auf. Aber da – das scheint mir genauso gut: „IBvW, Internationaler Berufsverband der Wahrsager, bekannt aus Funk und Fernsehen.“ Hm. Im Gegensatz zu ihren Mitbewerbern wurde dieser Verband von einem unabhängigen Organ als seriös eingestuft. Das ist ermutigend. Und in der Anzeige wird versprochen, dass alle meine Fragen auch wirklich beantwortet werden. „In Sachen Liebe, Geld, Bestimmung. Die ersten beiden Minuten sind kostenlos!“ (wobei dann jede Minute 5,99 Dollar kostet, Minimum eine Minute.)
    Ich wähle die 900er Nummer. Das kann ich nun wirklich nicht über den Verlag abrechnen. Gott sei dank habe ich eine Kreditkarte dabei. Meine frisch ersetzte neue Kreditkarte; was ich am Monatsende schmerzhaft zu spüren bekommen werde.
    „Herzlich willkommen beim Internationalen Berufsverband der Wahrsager“, sagt eine butterweiche Frauenstimme. „Die offizielle Wahrsager-Hotline. Um fortzufahren, müssen Sie über achtzehn sein. Mit dem Ton beginnen Ihre ersten zwei Freiminuten.“
    Beep. Ich stelle den Timer meiner digitalen Uhr.
    „Hallo … wenn … Sie … die … Durchwahl … Ihres … Wahrsagers … kennen … drücken … Sie … bitte … jetzt … die … Ziffernfolge.“
    Sollten sie nicht die geeignete Durchwahl für mich kennen?
    Längere Pause. „Ansonsten … bleiben … Sie … bitte … dran.“
    Pause. Es klingelt. Klingel. Klingel.
    Schließlich habe ich Lewis an der Strippe.
    „Hallo“, sagt Lewis mit einem gewissen Südstaatenakzent. Nicht gerade das, was ich erwartet habe, aber wer will das Paranormale in Frage stellen? „Können Sie mir Ihren Namen und Ihr Geburtsdatum nennen?“ Hey, sollten sie das nicht auch wissen?
    Ich verrate es ihm trotzdem und warte, dass meine Zukunft entwirrt wird.
    „Sie sind von Natur aus ein großzügiger Mensch“, sagt er, und es hört sich an, als ob er den Text von einem Bildschirm abliest. „Für einen Freund würden Sie Ihr letztes Hemd geben. Sie mögen es romantisch und verbindlich. Sie lieben Kinder. Die nächste Woche wird sehr gut für Sie. Gute Neuigkeiten.“
    „Bitte?“ unterbreche ich ihn. Clever von mir, denn ich will sehen, ob die Stimme nur aufgenommen ist. „Das Letzte habe ich nicht verstanden. Können Sie das bitte wiederholen?“
    Er ignoriert mich und fährt fort. „Mit einem Menschen in Ihrem Leben können Sie wunderbar reden.“ Offensichtlich nicht mit dir, Lewis. „Innerhalb der nächsten dreißig Tage werden alle Ihre Probleme gelöst sein. Sie werden auf Reisen gehen. Wahrscheinlich auch umziehen. Vielleicht eine neue Stadt. Vielleicht ein anderer Bundesstaat. Vielleicht
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher