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Grischa: Goldene Flammen

Grischa: Goldene Flammen

Titel: Grischa: Goldene Flammen
Autoren: Leigh Bardugo
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Dunkelheit. Die Volkra ergriffen die Flucht, kreischten wütend und verwirrt, gebannt vom strahlenden Licht.
    Wir sausten über den bleichen Sand, durch Sonnenlicht, das sich in schimmernden Wellen vor uns ausbreitete. Am Bug stehend sah ich einen grünen Schimmer und begriff, dass es sich um die andere Seite der Schattenflur handelte. Was wir da sahen, war West-Rawka, und als wir näher kamen, konnte ich Wiesen und Anleger und dahinter das Dorf Nowokribirsk erkennen. In der Ferne glänzten die Türme von Os Kerwo. Bildete ich es mir nur ein oder lag tatsächlich der salzige Duft der Wahren See in der Luft?
    Menschen strömten aus dem Dorf und versammelten sich auf den Anlegern, zeigten auf das Licht, das die Schattenflur teilte. Ich sah Kinder, die im Gras spielten. Ich hörte, wie sich Hafenarbeiter etwas zuriefen.
    Auf ein Zeichen des Dunklen wurde das Skiff langsamer. Er hob die Arme. Als ich begriff, was gleich geschehen würde, packte mich blankes Entsetzen.
    Â»Das sind Eure eigenen Leute!«, schrie ich verzweifelt.
    Er beachtete mich nicht. Im nächsten Moment klatschte er in die Hände, laut wie ein Donnerhall.
    Was danach geschah, schien unendlich langsam vor sich zu gehen. Dunkle Bänder entströmten seinen Händen. Als sie die Finsternis erreichten, erhob sich ein Grollen in den Tiefen des toten Sandes. Die schwarzen Wände des Durchgangs, den ich gebahnt hatte, hoben und senkten sich rhythmisch. Wie Atem, dachte ich erschrocken.
    Das Grollen wurde zu Dröhnen. Die Schattenflur wankte und bebte und wurde zu einer gewaltigen Flutwelle, die auf das Dorf vor uns zuschoss.
    Beim Anblick der auf sie zukommenden Finsternis schrien die auf den Anlegern versammelten Menschen in Panik. Sie flohen voller Angst und ich hörte ihre Schreie, als sich die schwarze Flutwelle über Anleger und Dorf ergoss. Alles versank in Dunkelheit und die Volkra stürzten sich auf die frische Beute. Eine Frau mit einem kleinen Jungen in den Armen versuchte stolpernd der Finsternis zu entkommen, doch auch sie wurde verschluckt.
    Ich kämpfte verzweifelt, um das Licht zu intensivieren, die Volkra zu verscheuchen und die Menschen zu beschützen. Doch ich konnte nichts tun. Meine Macht wurde mir wie zum Hohn von der unsichtbaren Hand entrissen. Ich hätte dem Dunklen am liebsten ein Messer ins Herz gestoßen, hätte sogar mein eigenes Herz durchbohrt, damit dieses Grauen ein Ende nahm.
    Der Dunkle drehte sich zu den Botschaftern und dem Abgesandten des Zaren um. Ihre Gesichter waren starr vor Entsetzen. Der Dunkle war offenbar zufrieden mit dem, was er sah, denn er löste die Hände voneinander. Daraufhin drang die Finsternis nicht weiter vor und das Dröhnen verhallte.
    Ich hörte die gequälten Schreie all jener, die durch die neue Finsternis irrten, das Kreischen der Volkra und vereinzelte Schüsse. Die Anleger waren verschwunden. Nowokribirsk war verschwunden. Vor uns erstreckten sich neue Weiten der Schattenflur.
    Die Botschaft war eindeutig: Heute hatte es West-Rawka getroffen; schon morgen konnte der Dunkle die Schattenflur ohne viel Mühe nach Norden bis zu den Fjerdan oder nach Süden bis zu den Shu-Han erweitern. Sie würde ganze Länder verschlingen und die Feinde des Dunklen ins Meer treiben. Wie viele Tode hatte ich gerade mitverschuldet? Wie viele Tode würde ich in Zukunft mitverschulden?
    Schließe den Weg , befahl der Dunkle. Ich hatte keine andere Wahl, als zu gehorchen. Ich holte das Licht so weit ein, dass es das Skiff umgab wie eine strahlende Kuppel.
    Â»Was habt Ihr da getan?«, flüsterte der Abgesandte des Zaren mit bebender Stimme.
    Der Dunkle drehte sich zu ihm um. »Habt Ihr nicht genug gesehen?«
    Â»Ihr sollt dieses Grauen nicht erweitern, sondern beseitigen! Ihr habt Bürger Rawkas ermordet! Der Zar wird niemals zulassen …«
    Â»Wenn der Zar nicht tut, was ich sage, werde ich die Schattenflur gegen Os Alta schicken.«
    Der Abgesandte rang um Worte. Sein Mund klappte auf und zu, doch es hatte ihm die Sprache verschlagen. Der Dunkle wandte sich an die Botschafter. »Ich gehe davon aus, dass Ihr begriffen habt. Es gibt keine Grenzen mehr, kein Rawka, kein Fjerda, kein Reich der Kerch oder der Shu-Han, und es wird auch keine Kriege mehr geben. Von diesem Tag an gibt es nur noch das Land innerhalb und das Land außerhalb der Schattenflur, und es wird Friede herrschen.«
    Â»Ein Friede zu Euren
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