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Grimm - Roman

Titel: Grimm - Roman
Autoren: Christoph Marzi
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handelt sich hier um ein überaus arglistiges Täuschungsmanöver und ein Verhalten, das ich an meiner Schule nicht dulden kann, unter gar keinen Umständen.«
    »Was wird jetzt passieren?«, fragte Margo Gold und gebot ihrer Tochter mit einem Fingerzeig, zu schweigen.
    Die nachfolgenden Worte schien Frau Dr. von Stein außerordentlich zu genießen, jedes Einzelne von ihnen. »Ich muss Ihnen leider mitteilen, dass wir in zwei Tagen eine Konferenz aller Fachlehrer einberufen haben, auf der über den weiteren Verbleib Ihrer Tochter an unserer Schule entschieden werden wird. Sie beide sind dazu natürlich eingeladen.«
    Das war jedenfalls etwas, was Margo Gold nicht hatte hören wollen. »Ich bin auf Tournee. Wie stellen Sie sich
das vor? Ich habe eine Reihe von Konzerten im Ausland.«
    Frau Dr. von Stein nickte.
    »Aber Vesper wird natürlich kommen. Sie muss Ihnen Rede und Antwort stehen.« Sie warf ihrer Tochter einen strengen Blick zu.
    Vesper nickte. »Versprochen.«
    Margo Gold erhob sich, ohne auch nur eine weitere Reaktion der Direktorin abzuwarten. »Dann wäre das geklärt. Mein Taxi wartet.« Sie lächelte das Lächeln, das sie sonst nur der Presse schenkte. »Vesper, du gehst in deinen Unterricht.« Sie schüttelte die Hand der Direktorin. »Es tut mir leid, aber meine Zeit ist sehr knapp bemessen.«
    Nur Vesper wusste, wie entnervt ihre Mutter wirklich war. Sie hasste es, zu solchen Gesprächen zu erscheinen. Sie hasste Pädagogen, und sie hasste es, Zeit zu vergeuden.
    »Ich bin sicher, dass wir eine Regelung finden werden.« Mit einem Lächeln rauschte sie aus dem Raum und zog Vesper hinter sich her. Beide warfen sie keinen Blick zurück.
    Als sie draußen auf dem Korridor waren, hielt Margo Gold inne.
    »Danke, Vesper, das war wieder einmal unbeschreiblich.«
    »Tut mir leid.«
    Margo Gold sah ihre Tochter eindringlich an und knöpfte sich den Mantel zu.

    »Okay, mir tut nur leid, dass ich mich habe erwischen lassen.«
    »Ja, genau das tut mir auch leid. Du hättest uns einige Unannehmlichkeiten erspart, wenn du dich geschickter angestellt hättest.«
    »Dann findest du also, dass …«
    Margo Gold ließ ihre Tochter nicht zu Ende sprechen. »Nein«, fuhr sie ihr energisch ins Wort. »Du hast uns ein Versprechen gegeben, deinem Vater und mir. Du wolltest dir Mühe geben.«
    Vesper nickte widerwillig.
    »Wenn du von der Schule fliegst, dann haben wir ein Problem.«
    »Ich weiß.«
    »Und?«
    Vesper murrte: »Ich werde mich bessern.«
    »Schau mich an, wenn du mit mir redest.«
    Sie hob den Blick.
    »Du hast geraucht.«
    Sie wusste, dass ihre Mutter das gerochen hatte. »Und?«
    »Du sollst nicht rauchen.«
    »Du rauchst doch auch.«
    »Ich bin erwachsen, eine Künstlerin, und ich habe genug Geld, um mir die Zigaretten zu leisten.«
    »Wahnsinnig gute Begründung. Ich bin bald volljährig.«
    Margo schaute erneut auf die Uhr. Zog sich die Handschuhe über. »Ich muss den Flieger erreichen, Kleines. Wie gesagt, das Taxi wartet. Die Koffer habe ich schon zum Flugplatz geschickt.«

    »Wann wirst du wieder hier sein?«, fragte Vesper.
    »In zwei Wochen. Ich habe dir eine Mail mit den Tourdaten geschickt.«
    Vesper nickte nur.
    Margo Gold wollte schon gehen, besann sich dann aber und konzentrierte sich noch einmal einen Augenblick lang ganz auf ihr Gegenüber. »Vesper, mein Kind, wie geht es dir?«
    »Beschissen«, antwortete sie. »Aber nett, dass du fragst.«
    Sie ergriff die Hände ihrer Tochter. »Warum tust du das nur?« Die schwarzen Handschuhe waren kalt. »Machst uns diesen Ärger, dass wir keine ruhige Minute haben. Du solltest dich wie eine Erwachsene benehmen, nicht wie ein verzogenes Gör, das keine Erziehung genossen hat.«
    Vesper lächelte leise. »Ich bin doch nur ein ganz armes und vernachlässigtes Scheidungskind, das seinen Platz in der Welt noch nicht gefunden hat.«
    Beide mussten sie lächeln.
    »Den Humor hast du von deinem Vater.« Nicht einmal jetzt sagte sie mehr Maxime .
    »Ja, und die Ohren habe ich von dir.«
    »Sie stehen dir gut.« Ein kurzes Lächeln nur. »Geh wieder in den Unterricht«, sagte Margo Gold schnell, gab ihrer Tochter einen flüchtigen Kuss auf die Stirn und rauschte den Korridor entlang.
    Vesper sah ihr nach, als sie die Treppe hinab verschwand, raus aus der Tür, hinaus in die Welt, wo sie die berühmte Margo Gold war und im tosenden Applaus der Menschen
zu schwimmen vermochte wie ein bunter Fisch im klaren Wasser.
    »Ich werde dich auch vermissen«, sagte sie
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