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Grimm - Roman

Titel: Grimm - Roman
Autoren: Christoph Marzi
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musste lächeln, aus einem Grund, der ihr selbst nicht so ganz klar war. »Nun ja, eigentlich habe nicht ich sie gefälscht. Aber man kennt so seine Leute, weißt du?!«
    Margo Gold tat überrascht. »Du kennst Mitschüler, die so etwas professionell tun?«

    Sie nickte. »Ist eine recht lukrative Nebenbeschäftigung für diejenigen, die es können.«
    »Du hast dafür bezahlt?«
    »Nichts ist umsonst, Mama, das solltest gerade du wissen.«
    Margo Gold seufzte langgezogen. »Geht das jetzt schon wieder los?«
    »Du hast angefangen.«
    »Ich weiß, ich weiß.«
    »Frau Gold?« Die Wissmann schaltete sich ein. »Frau Dr. von Stein kann Sie jetzt empfangen.«
    Margo Gold hob die Hand. »Moment noch«, unterbrach sie die Sekretärin, wandte sich erneut ihrer Tochter zu und flüsterte: »Irgendeine Idee, wie wir die Stein davon abhalten können, dich zu feuern?«
    »Keine Ahnung.«
    »Das ist alles, was du dazu zu sagen hast?«
    Vesper zuckte die Achseln. »Es ist, wie es ist. Was soll ich machen?«
    »Ich dachte, du wolltest dir jetzt Mühe geben.« Sie machte eine Pause. »Nach allem, was in Berlin passiert ist.«
    Vesper senkte den Blick. »Tut mir leid, aber …«
    »Kein Aber mehr …«
    Die Wissmann nahm zufrieden zur Kenntnis, dass Vesper Ärger bekam, und grinste mit stiller Genugtuung tief in sich hinein.
    Dann öffnete sich die Tür zum Zimmer der Chefin.
    Frau Oberstudiendirektorin Dr. Isolde von Stein schritt bedeutungsvoll in die Gefilde des einfachen Volkes hinaus.
»Ach, die Frau Gold!«, rief sie voller Begeisterung aus.
    Vesper erhob sich. Sie hatte geahnt, dass das Auftauchen ihrer Mutter zu einem kleinen Auftritt werden würde.
    »Guten Morgen, Frau von Stein«, begrüßte Margo Gold die nun auf sie zustürmende Direktorin. Nur Vesper fiel auf, dass sie bewusst vermieden hatte, sie mit ihrem Titel anzusprechen.
    Frau Dr. Isolde von Stein schien das nicht zu stören. Wie eine Nebelkrähe ergriff sie die Hand ihres Besuchs und schüttelte sie. »Wir sind uns noch gar nicht begegnet.«
    Wenn es ein kleines Adjektiv gab, das die Direktorin hinreichend beschrieb, dann war dies grau . Alles an Frau Dr. Isolde von Stein wirkte grau: die Haare, die selbst säuberlich geordnet und hochgesteckt noch die Eleganz einer Ansammlung von Staubmäusen besaßen, das dunkelgraue Kostüm, die graue Strumpfhose, die hochgeschlossenen schwarzen Halbschuhe. Kerzengerade Haltung, die Hände gefaltet, sah sie, Lehrerin für Deutsch und ehrenamtliche Leiterin der Theater-AG, aus, als sei sie einem Roman von Thomas Mann entfleucht.
    »Damals haben Sie das Vergnügen gehabt, mit Vespers Vater zu sprechen.«
    Nur Vesper fiel auf, dass sie nicht mit meinem Mann gesagt hatte. Maxime Gold war jetzt einfach nur noch Vespers Vater .
    »Wie schön, dass wir uns nun kennenlernen. Und wie tragisch, dass es unter diesen Umständen sein muss.«

    Vesper harrte der Lobhudelei, die jetzt zweifelsohne kommen würde.
    »Ich verehre Ihre Kunst«, sagte Frau Dr. von Stein, und Margo Gold rang sich ein müdes und bemüht offenes Lächeln ab. »Diese wunderbaren Händel-Variationen und Mozarts Klavierkonzerte; sie sind schon jetzt ein Klassiker, was soll ich noch sagen?«
    Sag besser nichts, dachte Vesper und setzte ein Lächeln auf, das möglichst unverfänglich wirken sollte. Die Ehrerbietung, die ihrer Mutter zuteil wurde, war nichts Neues für Vesper. Margo Gold war eine Legende, interessierte man sich für diese Art von Musik. Sie war in den Konzertsälen der Welt zu Hause. Ihre Hände waren begnadet und einzigartig - und außerdem war sie nervös und eigensinnig. Als sie noch eine intakte Familie gewesen waren, da hatte Vesper in einer Welt der Verbote gelebt. Keine laute Musik, kein Besuch, kein lautes Lachen. Einzig der Musik ihrer Mutter war es erlaubt, die weiten Räume der Villa in Schöneberg mit Leben zu füllen. Ihre manikürten Finger bewegten sich rasch über die schwarzen und weißen Tasten und vollführten unglaublich flinke Tänze. Sie beschworen wilde Melodien herauf, die ganze Konzertsäle füllten und den andächtig lauschenden Zuhörern förmlich die Tränen in die Augen trieben.
    »Ich hatte das außerordentliche Vergnügen, Sie in der Mailänder Scala zu sehen«, säuselte Frau Dr. von Stein unterwürfig.
    »Ah, die Variationen über Themen aus Hoffmanns Erzählungen .«

    Eifriges Nicken.
    So standen sie Augenblicke nur herum.
    Es war Margo Gold, die das Gespräch wieder in geordnete Bahnen lenkte. »Frau von Stein«,
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