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Greifenmagier 1 - Herr der Winde

Greifenmagier 1 - Herr der Winde

Titel: Greifenmagier 1 - Herr der Winde
Autoren: Neumeier Rachel
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hätte sie mit ihrer engen Beziehung zu Pferden dazu bewegen können. Kes hingegen brachte weder diese Verbundenheit mit irgendeinem Tier auf, noch besaß sie irgendeine besondere Gabe - falls man dazu nicht das ungewöhnliche Bedürfnis zählte, sich die Schuhe auszuziehen, die Schwester zu verlassen und allein in die Stille der Berge hinaufzuwandern. Gewöhnlich neidete sie Tesme ihre Gabe nicht, aber sie hätte es jetzt gern gehabt, wenn sie River bewegen könnte, sich hinzulegen. Doch eine Berührung und leise Worte waren alles, was sie unternehmen konnte, um dieses Ziel zu erreichen.
    Zum Glück reichte das. Kes wich hastig aus, als die Stute mit den Beinen einknickte und unbeholfen ins Stroh kippte.
    »Wie geht es ihr?«, wollte Tesme wissen, die endlich mit Jos zurückkehrte. Kes zuckte darauf nur die Achseln und nickte Jos zu. Er erwiderte das Nicken wortlos und lehnte sich neben ihr an die Boxentür.
    Fohlen kamen normalerweise schnell heraus, und im Allgemeinen entstanden dabei keine Schwierigkeiten. Wenn es jedoch mal schwierig wurde, dann zumeist gleich ernsthaft. So oder so, es half in keinem Fall, wie ein Vogel mit gebrochenen Flügeln herumzuflattern und die Stute noch weiter zu verstören. Kes betrachtete River, schätzte die Zeitintervalle zwischen den Kontraktionen ab, die wellenförmig über die Flanken des Tieres liefen, und entschied, dass bislang nichts weiter zu tun war, als zu warten.
    Während sie das tat, ertappte sie sich dabei, wie ihre Gedanken zu einem grimmig-blassen Himmel hinaufstiegen und in die Erinnerung an grelles Licht eintauchten, das sich auf gebogenen Schnäbeln und goldenen Federn spiegelte.
    Tesme bemerkte nicht, dass Kes abwesend war, aber Jos fragte: »Kes?«
    Erschrocken blinzelte Kes ihn an. Das kühle Dämmerlicht der Fohlscheune kam ihr fremd vor, als wäre die glühende Sonne, die die Greifen mitgebracht hatten, für sie irgendwie wirklicher geworden als der freundliche Sommer von Minasfurt.
    »Geht es dir gut?« Jos hatte die Stirn in Falten gelegt und musterte sie neugierig. Vielleicht sogar besorgt. Wirkte sie dermaßen abgelenkt? Kes nickte ihm zu und gab ihm mit einer wegwerfenden Geste zu verstehen, dass nichts wäre. Er schien nicht ganz davon überzeugt.
    Da hörte Kes, wie Tesme scharf ihren Namen rief, und wandte sich wieder der Stute zu. Sie legte ihr die Hand auf die Flanke und schätzte ab, welche Fortschritte sie machte.
    Das Fohlen war tatsächlich sehr groß. Aber Kes stellte fest, dass jetzt, nachdem der Geburtsvorgang begonnen hatte, keine nennenswerten Schwierigkeiten auftraten. Das Fohlen hatte das Maul im Geburtskanal, die Nase richtig nach vorn gewandt. Kes nickte ihrer Schwester und Jos beruhigend zu.
    Tesme reagierte ihrerseits mit einem erleichterten Nicken, aber Jos war am glücklichsten. Als eine Geburt zuletzt schlecht gelaufen war, hatte sich das Fohlen in die falsche Richtung gewendet und sich mit den Vorderbeinen am Becken der Stute verhakt. Es war Jos nicht gelungen, das Jungtier tief genug hineinzudrücken, um die Beine gerade zu ziehen; er hatte sie brechen müssen, um das Fohlen herauszuholen. Es kam tot auf die Welt, was nur gut war. Eine solch trostlose Arbeit wollte keiner von ihnen erneut machen müssen, und die Erinnerung daran war vermutlich der Grund für Tesmes nervöse Besorgnis gewesen.
    Diesmal wartete Kes, bis die Wehen der Stute deutlich fortgeschritten waren. Dann band sie einfach ein Seil um jedes der Vorderbeine des Fohlens, und während Tesme beim Kopf der Stute stand und sie beruhigte, unterstützten Kes und Jos die nächste Kontraktion mit einem gleichmäßigen Zug. Das Fohlen glitt sauber ins Freie, nass und dunkel von den Gebärflüssigkeiten.
    »Ein Stutenfohlen!«, stellte Meris fest, nachdem sie sich gebückt und nachgesehen hatte.
    »Wunderbar!«, sagte Tesme inbrünstig. »Wunderbar. Gutes Mädchen, River!«
    Die Stute neigte die Ohren in Tesmes Richtung und stemmte sich auf die Beine. Dann drehte sie sich im Stroh um und beschnupperte das Pferdchen, das sich wild strampelnd aufrappelte und herumtorkelte. Jos verhinderte, dass es dabei stürzte. Nur Minuten später nuckelte es kräftig.
    Danach war es naheliegend, den Dorfgasthof aufzusuchen und zu feiern. Tesme zog einen sauberen Rock an, flocht sich die Haare und gab Kes eine Schnur mit polierten Holzperlen, die sie sich ins Haar flechten sollte. Tesme war so glücklich: Sie hatte ihr Fohlen vom Deltahengst - ein Stutenfohlen -, und die Welt war in
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