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Grappa und die Toten vom See

Grappa und die Toten vom See

Titel: Grappa und die Toten vom See
Autoren: G Wollenhaupt
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Das Zollkriminalamt ermittelt gegen uns. Wir sollen gegen das Iran-Embargo verstoßen haben.«
    »Und? Haben Sie?«
    »Wir haben über die Schweiz Aluminiumstangen und Stahlplatten an ein iranisches Unternehmen geliefert. Diese Firma soll ein getarnter Einkäufer für das iranische Nuklearwaffenprogramm sein. Ich möchte mit dem ganzen Kram jedenfalls nichts mehr zu tun haben. Die Verkaufsverhandlungen laufen bereits. Meine Schwester, mein Vater und ich bekommen je ein Drittel. Ist doch ein fairer Deal, oder? Da spielt die eine Million für diesen Erpresser auch keine Rolle mehr.«
    »Ihr Geschäftspartner hat das Geld aber nicht bekommen«, platzte ich nun doch heraus.
    »Wie bitte?«
    »Sie haben ihm den Koffer nur gezeigt, aber nicht gegeben«, sagte ich. »Wir sind Ihnen zum Bahnhof gefolgt und haben Fotos gemacht. Auch von Ihrem Vater, wie er den Mann mit einer Waffe bedrohte.«
    Schweigen.
    »Sind Sie noch da?«, fragte ich.
    »Und selbst wenn …« Motte hatte sich wieder im Griff. »Wir haben uns nur zurückgeholt, was uns gehört. Mit ein wenig Nachdruck. Welche Straftat wollen Sie daraus konstruieren?«
    »Dem Staatsanwalt wird schon was einfallen. Ich tippe auf Bedrohung mit einer Waffe, Nötigung, Erpressung und so weiter. Aber das ist ja gar nicht das Thema. Ein Artikel über den großen Wiedergutmacher Max Motte, der angeblich eine Million opfert, um die Menschheit über die braune Familiengeschichte aufzuklären, und sich dann als mieser Betrüger entpuppt, könnte Ihre Verkaufsverhandlungen stören und Ihrem Saubermann-Image schaden.«
    »Sie überschätzen die Moral meiner Verhandlungspartner. Die haben mit Kriegswaffen zu tun – da ist man einiges gewöhnt«, entgegnete er. »Und mir ist mein Ruf herzlich egal. Schreiben Sie Ihre Geschichte über den bösen Max Motte und seinen noch böseren Großvater. In ein paar Monaten ist Gras über die Sache gewachsen.«
    Leider hatte er nicht ganz unrecht. Nichts ist älter als die Zeitung von gestern. Und ich musste Schnack beibringen, dass die Reportage von der Geldübergabe anders enden würde, als ich es vorgehabt hatte. Am besten noch vor der Redaktionskonferenz.
    »Was sagen Sie da?«, fragte er nach meinem Kurzbericht.
    »Es ist eben einiges schiefgegangen – was aber nicht unsere Schuld war. Motte hat falsch gespielt. Er hat die Million nicht übergeben. Die Story hat keine Pointe mehr und ist damit tot.«
    Am Nachmittag informierte mich Kleist über die Ergebnisse des DNA-Schnelltests: Bruns war tatsächlich am Tatort gewesen. Speichelspuren auf einem Kaugummi, das man in der Nähe der Leiche von Daniel Schatto gefunden hatte, passten zu den Spuren, die Wayne im Bad von Bruns gesichert hatte.
    »Bruns war also in Italien und hat dreist gelogen«, stellte ich überflüssigerweise fest. »Vielleicht hat er die Morde beobachtet. Ich wage gar nicht, weiter zu denken.«
    »Wir werden ihn besuchen«, kündigte Kleist an. »Und du hältst die nächsten Stunden die Füße still. Abgemacht?«
    Eine Stunde später wurde folgende Pressemitteilung verbreitet:

    Im Mordfall der fünf Toten vom Lago Maggiore ist heute der deutsche Staatsangehörige Hein B. (48) vorläufig festgenommen worden. Es verdichten sich Anhaltspunkte, dass B. sich in Pisano/Italien am Tatort befunden hat. Der Festgenommene ist unter dem Pseudonym Holger Bruns als Autor politischer Texte gegen rechtsextreme Entwicklungen in unserer Gesellschaft in Erscheinung getreten.
    Die Medien stürzten sich auf die neue Entwicklung. Besonders die rechtskonservativen Blätter konnten sich eine gewisse Häme nicht verkneifen. Ein linker Autor, der in politische Morde verwickelt war – ein gefundenes Fressen für die rechte Hetzpresse.
    Der verfolgte Nazikiller
    Am Abend klingelte es an der Haustür. Ich tippte auf Kleist, doch es war Luisa Licht, die mich besuchte.
    »Sie?«
    »Entschuldigen Sie bitte, dass ich nicht vorher angerufen habe«, sagte sie. »Aber der Herr Kleist schickt mich.«
    Ich ließ sie herein. Licht wirkte leicht derangiert und außer Atem.
    »Was kann ich für Sie tun?«
    »Herr Kleist meinte, ich könnte etwas für Sie tun.«
    »Da bin ich aber gespannt.« Ich bat sie in die Küche und bot ihr einen Stuhl an.
    »Holger Bruns sitzt im Gefängnis«, japste sie.
    »Das weiß ich schon. Beruhigen Sie sich. Wollen Sie etwas trinken?«
    Sie antwortete nicht, ließ sich auf den Küchenstuhl fallen, atmete tief durch die Nase ein und durch den Mund aus. Eine Entspannungsübung, die
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