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Grappa und die keusche Braut

Grappa und die keusche Braut

Titel: Grappa und die keusche Braut
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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Toten sein könnte. Schrecklich!«

    »Ihr Sohn geht auf dieses Internat?«, verstand der Bluthund Bahnhof.

    »Nein! Ich hatte nie so viel Geld, dass ich ihn auf ein Internat hätte schicken können«, schniefte Wurbelchen.

    »Dann haben unsere knappen Gehälter ja doch ihren tieferen Sinn«, meinte ich.
    Sekretärin Susi hatte Tränen in den Augen. »Wer macht denn so was Schreckliches?«, schniefte sie. »Die armen Kinder.«

    »Meist ist es ja ein Kamerad, also auch ein armes Kind«, entgegnete ich. »Hat es eigentlich noch kein Fax oder eine Mail gegeben, Susi? Es soll eine Pressekonferenz stattfinden – langsam müssen Zeit und Ort doch bekannt sein.«

    »Ich schau mal eben nach.«
    Kurze Zeit später kehrte sie zurück. »In zehn Minuten. Das schaffst du, Grappa.«

     
    Immer derselbe Raum im Polizeipräsidium. Immerhin hatte er einen neuen Anstrich bekommen – ein aufregendes helles Grau. Wie oft hatte ich hier schon die Äußerungen der Exekutive über mich ergehen lassen? Hatte gehört, wie über qualvoll zu Tode gekommene Menschen bürokratisch verlautbart wurde. Geschädigte – das war das Lieblingswort der Pressestaatsanwälte, wenn es um die Opfer ging.

    Der Bluthund folgte in meinem Schlepptau. Auch wie immer. Wir setzten uns auf unsere angestammten Plätze. Die Kollegen vom Radio ebenfalls. Nur die Fernsehleute machten mal wieder viel Wind. Der Kameramann fummelte an den Jalousetten der Fenster, um mehr Licht zu bekommen. Sein Tonassistent verhedderte sich im Kabel und verlor dann noch den Mikroaufstecker, an dem der Name des Senders prangte. Der TV-Reporter kämmte sich die Haare, er wollte wohl später einen geschniegelten Eindruck machen.

    Pöppelbaum waren meine Studien nicht verborgen geblieben. »Tja, Grappa«, grinste er. »Wir sind beim falschen Medium. Für die Leute geht Fernsehen immer vor. Wirst du gleich wieder erleben, wenn die Oberbullen und Oberstaatsanwalt Ritter hier auflaufen.«
    »Dr. Kleist ist anders. Der behandelt alle Journalisten gleich.«

    »Genau«, nickte der Fotograf. »Gleich schlecht.«

    »Heute früh konnten wir uns doch nicht beklagen.«

    »Das liegt dann wohl doch an deinem Charme.«

    Die Tür öffnete sich und zwei Frauen brachten Thermoskannen und Kaltgetränke.

    »Früher gab’s auch mal Schnittchen«, merkte Pöppelbaum an.

    »So prickelnd waren die nicht. Cervelatwurst und Fabrikkäse aus der Polizeikantine«, erinnerte ich mich. »Aha, es geht los.«

    Der Polizeipräsident rauschte ins Pressezimmer, begleitet von Kleist, Oberstaatsanwalt Ritter, dem Leiter der Pressestelle und zwei weiteren Herren, die ich nicht kannte.

    »Wie Sie ja bereits wissen, hat es heute früh eine Geiselnahme im Schlossinternat Waldenstein gegeben«, begann der Polizeipräsident. »Nach ersten Ermittlungen hat ein achtzehnjähriger Schüler zu Beginn der ersten Schulstunde eine Maschinenpistole auf seine Klassenkameraden und die Lehrerin gerichtet. Was genau danach geschah, ist noch unklar. Drei Stunden nach Bekanntwerden der Bedrohungslage hat der Schüler das Feuer eröffnet und alle fünfzehn anwesenden Mitschülerinnen und Mitschüler seines Deutschkurses erschossen oder tödlich verletzt. Keiner der Jugendlichen hat überlebt. Danach hat der Junge die Waffe gegen sich selbst gerichtet und sich ebenfalls getötet. Nur die Lehrerin ist mit dem Leben davongekommen.«

    Geraune. Sechzehn tote Jugendliche! Das war selbst für die Hartgesottensten unter uns zu viel.

    »Haben Sie bitte Verständnis, dass noch vieles im Unklaren ist«, machte Kleist weiter. »Die einzige Zeugin, die Lehrerin, hat einen Schulterdurchschuss, steht unter einem schweren Schock und ist nicht vernehmungsfähig. Sie konnte uns lediglich den Namen des Täters nennen.«

    »Wie heißt der Junge?«, fragte der BILD-Reporter.

    »Der will die Eltern schütteln«, kommentierte Pöppelbaum.

    »Wir halten uns aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes in dieser Frage zurück«, zeigte sich Kleist verschlossen.
    »Welche Persönlichkeiten wollen Sie denn schützen?«, ereiferte sich der BILD-Mann. »Die der toten Kinder?«

    »Halten Sie sich doch bitte an die Spielregeln«, mahnte der Polizeipräsident.

    »Wie haben Sie erfahren, dass es eine Geiselnahme gibt?«, kam die nächste Frage.

    »Die Lehrerin konnte den Direktor der Schule informieren«, antwortete der Oberstaatsanwalt.

    »Und die Schüler? Was ist mit Handys?«

    »Die Schülerinnen und Schüler dürfen ihre Mobiltelefone nicht mit in den
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