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Grappa und die keusche Braut

Grappa und die keusche Braut

Titel: Grappa und die keusche Braut
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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aus dem Sattel zu kippen droht. Warum hatte ich damals nur das hektische Polizeiressort gewählt und nicht die bürgerliche Kultur? Ich beschäftigte mich mit Blut und anderen Körpersäften, während die Kulturdamen der Redaktion es sich gut gehen ließen – in Museen auf Häppchenorgien und nach Theaterpremieren bei Stehempfängen.

    Apropos Häppchen. Mir knurrte der Magen. Die Erschöpfung war vielleicht auch die Folge einer Unterzuckerung. Bluthund Pöppelbaum hatte mich zu meinem Cabrio gebracht und war dann umstandslos verschwunden.
    Ich hielt an einem Schnellimbiss, den ich kannte. Er wurde von zwei netten Omas in Kittelschürzen geführt und war stets sauber und ordentlich. Ich bestellte eine Diätcola und Reibekuchen. Die lagerten kalt unter Glas, wurden dann nicht frittiert, sondern ordentlich in der Pfanne erhitzt. Köstlich! Fabrikteig war das nicht.
    Anschließend ging es mir wesentlich besser.
    »Wo warst du denn so lange«, begrüßte mich Peter Jansen, als ich sein Büro betrat. »Wayne ist schon eine ganze Weile wieder da.«

    »Ich musste mich stärken.« Dezent hauchte ich ihn an. »Was dagegen?«

    »Kartoffelpuffer«, schnüffelte er.

    »Ja, und leckere«, bestätigte ich und setzte mich. »Ich brauchte das. Das ist eine Sache, die selbst mir unter die Haut geht.«
    »Was weißt du bisher?«, erkundigte sich Jansen.

    »Fast nichts. Erst hieß es, es gäbe eine Geiselnahme. Dann fielen plötzlich Schüsse. Und dann wurden lauter Tote aus dem Haus getragen. Immerhin hat die Lehrerin überlebt.«

    »Jetzt haben auch wir unser Winnenden«, stellte Jansen fest. »Was ist nur mit den Kindern los?«

    »Auch Erwachsene töten wahllos Menschen.«

    »Stimmt leider. Wie viele Zeilen brauchst du?«

    »Es kommt drauf an, was die Bullen heute noch rauslassen. Krieg ich eine halbe Seite?«, fragte ich. »Zur Not haben wir wenigstens Fotos. Pöppelbaum und ich waren die Einzigen, die wirklich nah an das Schloss herangekommen sind.«

    Ich berichtete ihm von unserer Pirsch durch den Wald und der kaputten Mauer.

    »Und ich dachte schon, dein gelegentlicher Liebhaber hätte dir zuliebe eine Ausnahme gemacht.« Der Schalk blitzte in Jansens Augen.

    »Ach was. Kleist ist ein guter deutscher Beamter. Noch Fragen?«

    »Nö. Und jetzt raus hier. Ich muss was über das neue Haushaltsloch im Etat der Stadt schreiben.«

    »Ein neues? Oder die alten Löcher, die wir schon kennen?«

    »Insgesamt fehlen in diesem Jahr hundert Millionen. Die Stadtkämmerin hat eine Haushaltssperre erlassen. Bierstadt muss eisern sparen.«

    »Auweia«, meinte ich. »Und das so kurz nach der Kommunalwahl. Klingt irgendwie nach Beschiss. Warum haben die das den Leuten nicht erzählt, bevor die ihre Stimmen abgegeben haben?«

    »Na hör mal«, knurrte Jansen. »Politiker sind zwar schlicht gestrickt, aber so blöd, dem Stimmvieh die grausame Wahrheit vor der Wahl zu stecken, nun doch nicht.«

    »Das gibt Ärger«, tippte ich. »Ein gefundenes Fressen für die Opposition.«

    »Die Kämmerin hat sich auch prompt krankgemeldet und ist auf Tauchstation gegangen. Keiner weiß, wo sie sich befindet.«

     
    Im Großraumbüro begab ich mich zu Pöppelbaum und schaute ihm über die Schulter. Er präsentierte seine Fotokollektion. Die Bilder von der Rückfront des Schlosses brachten nichts, das Splittern der Scheiben war kaum zu erkennen. Anders die Tragen. Er hatte ganz nah an die Opfer herangezoomt. Die Bilder zeigten, dass einige Tote nur notdürftig abgedeckt waren. So hatte ich das gar nicht wahrgenommen. Ich sah viel Blut und manchmal ein Gesicht.
    »Mein Gott«, murmelte ich.

    »Mein stärkstes Objektiv«, erklärte Pöppelbaum.
    »Solche Bilder können wir nicht bringen«, entschied ich. »Kein Gesicht darf erkannt werden. Wir sind ja nicht die BILD-Zeitung.«

    »Und warum mache ich mir dann die Arbeit?« Pöppelbaum war fassungslos. »Wenn das so abgelaufen ist wie üblich, ist einer von den Schülern, die da liegen, der Täter! Wenn wir wüssten, wer, hätten wir ein Foto des Amokläufers exklusiv.«

    »Vergiss es! Wir zeigen die Rettungswagen, meinetwegen auch, wie die Sanitäter eine Trage reinschieben – mehr aber nicht.«

    »Was ist denn in dich gefahren?«

    Die zunehmende Lautstärke unseres Disputes hatte die Kollegen angelockt. Einige schauten gebannt auf den Monitor.

    »Ich hab einen Sohn in dem Alter«, verriet Kulturredakteurin Margarete Wurbel-Simonis Altbekanntes. »Wenn ich mir vorstelle, dass er unter den
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