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Grappa 14 - Grappa im Netz

Grappa 14 - Grappa im Netz

Titel: Grappa 14 - Grappa im Netz
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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wenn du mitspielen magst ...
    Ich sah mir das Foto an. Nein, den konnte ich nicht guten Gewissens vor eine Fernsehkamera stellen. Der Hirnlose stand in seinem Bad. Der Oberkörper war nackt, auf der Brust schimmerte etwas Dunkles, vermutlich ein paar letzte Haare. Die Schultern waren rund und wabbelig, ein massives Doppelkinn verdeckte den Hals. Die Haarpracht war wohl endgültig gewichen, als das Gehirn dem Kopf entnommen worden war, ein Bierbauch hing über einer heftig gemusterten Unterhose.
    Die Frage nach seiner Traumfrau beantwortete er so:
    Good vibrations. Dass die Schmetterlinge im Bauch zu schwirren anfangen. Ausstrahlung, Augen, Stimme, Herz und Sinnlichkeit. Das gewisse Etwas.
    Immer diese Schmetterlinge! Ich hatte diesen Satz schon oft gelesen. Sie »schwirrten« und »flatterten« in Bäuchen, manchmal wurden sie auch »entfacht«. Ähnlich erging es den Flugzeugen, die manchmal in Bäuchen starteten und landeten.
    Ich überlegte, wie ich den Zustand des Verliebtseins wohl beschreiben würde: eher als vorübergehenden Schwachsinn, eine Selbsttäuschung, die früher oder später schmerzlich erkannt wird? Oder als eines der schönsten Hochgefühle, die Menschen haben können, als allumfassende Seligkeit, die mich von einem Entzücken zum anderen trägt? Nein, ich wollte nicht darüber nachdenken – es gab ja keinen aktuellen Anlass für mich.
    Ich wandte mich wieder meiner Mailbox zu. Die zweite Empfehlung hatte den Nicknamen: Knuddelbär35. Sein Bewerbungstext war hochromantisch:
    Ich habe Sehnsucht nach mehr ... stell dir vor ... die Sonne geht unter ... wir beide ... gehen gemeinsam Hand in Hand ... am Strand entlang ... wir steigen in ein Boot und fahren zusammen aufs Meer hinaus ... genießen die Stille und die Zweisamkeit ... wir schauen uns an und fühlen beide das Gleiche ... es ist schön ... dieses Gefühl des Angekommenseins, des Verstandenwerdens ... lass uns diesen Moment gemeinsam genießen und erleben ...
    Leider hatte der Knuddelbär kein Foto beigefügt, weil keiner in seinem Bekanntenkreis im Besitz eines Scanners war. Ich schaute auf die Gewichtsangabe im Fragebogen: 1,67 m und 95 Kilo.
    »Du liegst weit über dem zugelassenen Schlachtgewicht, Knuddelbär «, murmelte ich, »das Boot wird gnadenlos absaufen!«
    Der dritte nannte sich SMarter Lord. Der Nickname deutete auf jemanden aus der Sadomaso-Fraktion.
    Ich las:
    Sie ist still, wenn ich es will. Sie ist laut, wenn ich es will. Sie macht mich glücklich. Sie macht mich traurig. Sie fordert mich. Sie braucht mich. Sie gehorcht mir. Sie will mich. Ich will sie.
    Aber auch der Lord erfüllte nicht einmal annähernd die TV-Kriterien. Für jemanden, der sich eine Frau untertan machen will, hatte er einfach den falschen Beruf und das noch falschere Aussehen und das ganz falsche Alter. Der Lord war Rentner, kämmte sich sein Resthaar quer über den Schädel und war schon fünfundsechzig Jahre alt.
    Ich drückte den Delete-Knopf. Wenn das so schleppend weiterging, würde ich nie im Leben Kandidaten für meine Show zusammenbekommen, dachte ich frustriert.
    Ich goss mir Wein nach, um noch einen kurzen Ausflug in den Dark Room zu wagen. In diesem Chatroom konnte man live mit Leuten reden und schnell auf den Punkt kommen.
    Kaum hatte ich den Raum betreten, als mich der Stramme Hengst anklickte.
    Wie hat dir mein Foto gefallen?
    Gähn , schrieb ich zurück.
    Ich hab noch andere. Willst du sie sehen?
    Lass mal. Ich hab deins ans Gesundheitsamt geschickt. Die können dir vielleicht helfen.
    Sehr lustig. Was ist mit deiner Show? Hast du genug Leute gefunden?
    Was geht dich das an?
    Mehr, als du denkst. Es ist übrigens gefährlich, mit dir zu reden.
    Was du nicht sagst!
    Du kannst mir ruhig glauben. Erinnerst du dich an ›Schlüpferstürmer‹?
    Ja. Warum?
    Er ist tot.
    Tot? Was ist passiert?
    Er hat mir erzählt, dass ihr Mails ausgetauscht habt. Nun lebt er nicht mehr. Er wurde ermordet.
    Wie das?
    Ich schicke dir ein Dokument. Aus 'nem Blatt.
    Sag mir deinen Namen!, forderte ich.
    Ich bin doch nicht blöd. Will nicht auch so enden.
    Ich bekam die Frage gestellt, ob ich mir über die Risiken und Nebenwirkungen des Runterladens eines Dokumentes im Klaren war, und klickte mit der Maus auf den OK-Button. Es dauerte einige Augenblicke, dann war der Artikel da.
    GIFTMORD IM HOTELZIMMER – so die Überschrift der Meldung, die schon einige Tage alt war.
    Als das Zimmermädchen im Hotel Esplanade gestern früh das Zimmer eines Hotelgastes aufschloss,
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