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Grappa 08 - Grappa und die fantastischen Fuenf

Grappa 08 - Grappa und die fantastischen Fuenf

Titel: Grappa 08 - Grappa und die fantastischen Fuenf
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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Ohr.«
    Solo legte den Kopf in die Hände. Er brauchte ein paar Augenblicke, um die richtigen Worte zu finden. »Vor einer Woche war ich zufällig auf einem Jahrmarkt. Ich hatte schon einige Gläser Schnaps getrunken, als ich plötzlich vor dem Wohnwagen einer Wahrsagerin stand. Ich bin reingegangen. Nur so aus Jux. Für 100 Mark wollte mir die Frau etwas über meine Vergangenheit und meine Zukunft sagen. Ich legte ihr den Hunderter auf den Tisch, und los ging's.«
    »Tolle Geschichte«, sprach ich in seine Pause, »wenn sie wahr ist.«
    »Warte ab«, riet Solo und orderte ein weiteres Glas Wodka. »Sie sagte mir auf den Kopf zu, dass ich ein künstlerisch veranlagter Mensch sei, der in seinem Beruf erfolgreich ist. Mein Gefühlsleben dagegen sei aus den Fugen geraten. Ich hätte die große Liebe meines Lebens verloren.«
    Über Solos Wange rollten ein paar dicke Tränen. Ich konnte nicht einschätzen, ob es der Alkohol oder die Rührung über das eigene Schicksal war, was den Feuchtigkeitsschub ausgelöst hatte.
    »Kannst du nicht etwas zügiger erzählen?«, fragte ich. »Ich möchte hier nicht übernachten.«
    »Die Frau hatte recht. Sie hat mir auf den Kopf zugesagt, was mit mir los ist!«
    »Quatsch!«, widersprach ich. »Wer dich ansieht, der weiß, dass du ein kaputter Typ bist. Dass du Knipser bist, wusste sie vermutlich deshalb, weil du deine Kamera um den Hals baumeln hattest. Und irgendwann hat jeder im Leben mal eine Liebe verloren – zumindest, wenn er über Vierzig ist. Alles Sachen, die ich auch hätte wahrsagen können.«
    »Das war noch nicht alles. Sie kannte meine Geschichte – und ich hatte sie nie jemandem erzählt. Willst du sie hören?«
    Solo wartete meine Antwort nicht ab. »Als ich vierundzwanzig war, arbeitete meine Mutter als Putzfrau bei einer reichen Familie. Das ist jetzt sechzehn Jahre her. Dort traf ich sie. Sie war die Tochter der Familie und erst vierzehn. Ich verliebte mich.«
    »Warst du nicht ein bisschen alt für das Kind?«
    »Ich habe mich eben verliebt. Sonst war da nichts. Es ist wirklich nichts passiert. Ich hätte sie niemals angerührt. Als ihre Eltern etwas merkten, bekam ich Hausverbot und ›Engelchen‹ wurde eingesperrt. Meine Mutter zog mit mir in eine andere Stadt. Ich habe Engelchen nie wiedergesehen. Und nie vergessen können.«
    »Ist ja rührend«, ironisierte ich. »Wie die zwei Königskinder, die nicht zueinander finden können, weil das Wasser zwischen ihnen zu tief ist. Mensch, Solo! Das war Kinderkram damals. Und was, zum Teufel, hat das alles mit dem Toten im Schutt zu tun?«
    »Hab Geduld.« Solo setzte das Glas an die Lippen. Ich betrachtete ihn. Er war beileibe keine Schönheit; Nikotin, Alkohol und unregelmäßiger Schlaf hatten Spuren in seinem Gesicht hinterlassen. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie er mit vierundzwanzig ausgesehen hatte und was eine erblühende Vierzehnjährige an ihm gefunden haben könnte.
    Doch die Geschichte von der verlorenen Liebe rührte mich. Jeder ist einsam für sich allein, dachte ich, sogar Solo, der professionelle Zyniker.
    »Ich fragte die Wahrsagerin nach meiner Zukunft«, fuhr er fort. »Sie schaute mich merkwürdig an und sagte wörtlich: ›Wenn du einen toten Mann in einem toten Haus findest, wirst du deine Liebe wiederfinden.‹ Als ich dann von der leeren Bibliothek erfuhr, war mir klar, was die Frau mit dem ›toten Haus‹ gemeint hatte. Und jetzt warte ich darauf, dass ich sie wiedersehe.«
    »Das ist der Stoff, aus dem italienische Opern gestrickt sind«, rief ich aus. »Wartest du wirklich darauf, dass die Tür aufgeht, Engelchen in der Tür steht und dir um den Hals fällt?«
    »Ja«, lautete die schlichte Antwort.
    »Solo! Die Frau ist heute um die Dreißig, vermutlich verheiratet und mit ein paar Kindern gesegnet. Sie geht regelmäßig golfen oder vertreibt sich die Zeit mit der Lektüre von Frauenzeitschriften. Sie hat dich längst vergessen.«
    »Hat sie nicht!«, schrie Solo. »Wir haben uns damals ewige Treue geschworen.«
    »Reg dich nicht auf«, versuchte ich ihn zu beruhigen. »Ich will dir doch nur helfen.«
    In diesem Augenblick ging die Kneipentür auf. Solo drehte den Kopf und sah wie gebannt Richtung Öffnung.
    Nein, dachte ich, so was gibt es nicht im richtigen Leben. Ich sollte recht behalten: Engelchen war es nicht, die da eintrat. Durch die Tür schlenderte Hauptkommissar Anton Brinkhoff, sah sich um und steuerte schnurstracks auf uns zu.
    »Herr Brinkhoff«, staunte ich, »wie haben
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