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Grappa 08 - Grappa und die fantastischen Fuenf

Grappa 08 - Grappa und die fantastischen Fuenf

Titel: Grappa 08 - Grappa und die fantastischen Fuenf
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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das Gebäude erhalten werden sollen – immerhin war es unter Denkmalschutz gestellt worden – doch der Druck der Geldsäcke auf die ihnen hörigen Politiker war so stark gewesen, dass der Rat einen Abrissbeschluss fasste. Inzwischen waren zwar alle Investoren wieder abgesprungen – doch die Mehrheitsfraktion hielt den eigenen Gesichtsverlust für schädlicher als das Verschleudern von Steuergeldern.
    »In dem Gebäude befinden sich 580 Bohrlöcher, die mit rund 70 Kilogramm Sprengstoff aufgefüllt wurden«, unterbrach der Sprengmeister meine Gedanken. »Um Punkt sieben wird im Mittelteil gezündet, einige Augenblicke später fallen die Seitenwände und stürzen in die Mitte. Das ist eigentlich alles!«
    »Welche Art Sprengstoff benutzen Sie?«, fragte ein Kollege von der Konkurrenz.
    »Ammonsalpeter«, gab der Sprengmeister bekannt. »In sechs Sekunden ist alles vorbei. Und jetzt treten Sie bitte zurück.«
    Hinter der Absperrung, 150 Meter vom Sprengort entfernt, stand ich wieder neben Solo. Er saugte noch immer den Rauch aus seinem Brennstab.
    »Vergiss nicht, einen Film einzulegen«, versuchte ich, den Dialog erneut in Schwung zu bringen.
    Doch Solo schien mich nicht zu hören. Wie gebannt schaute er zu dem großen Haus, von dem in wenigen Augenblicken nur noch Bauschutt übrig sein würde.
    Signale ertönten, dann zwei langgezogene Sirenentöne. Drei dumpfe Schläge kurz hintereinander. Die Mitte des Hauses stürzte ein. Dann brachen die Außenmauern nach innen weg. Die Steine schrien auf. Die Stadt bebte. Schließlich Stille und Staub. Neben mir surrte der Motor von Solos Kamera. Das Schauspiel machte mich beklommen. Es hatte den Geschmack von Zerstörung, als fälle jemand einen Urwaldriesen im brasilianischen Regenwald.
    Ich atmete tief durch. Langsam wurde die Staubwolke dünner, im letzten Nebel erschien der Turm der Kirche gegenüber. Glockengeläut. Wie bestellt. Requiescat in pace.
    »Das war's«, konstatierte Solo trocken. Ich sah, dass ihm eine Träne die Wange herunterlief.
    »Was ist mit dir?«, fragte ich verdattert.
    »Nichts«, behauptete er heiser, »ich hab ein bisschen Staub ins Auge gekriegt. Kommst du mit?«
    »Wohin?«
    »Die Trümmer angucken.«
    »Ich weiß nicht ...« meinte ich unentschlossen. Mein Magen verlangte nach einem ausführlichen Frühstück. Schließlich musste ich mich fürs Frühaufstehen belohnen.
    »Bitte, Grappa!«
    Irgendwas hat er, dachte ich und sagte laut: »Na gut. Aber anschließend gehen wir frühstücken.«
    Solo nickte abwesend und stiefelte los. Ich hatte Mühe, seinem Tempo zu folgen.
    Schließlich erreichten wir den Zaun, hinter dem rund 30.000 Tonnen Schutt lagen. Einige Neugierige guckten durch die Luken des Bretterzaunes. Solo zog mich zur linken Seite des Holzverschlages. Ich sah eine Tür, die durch ein Vorhängeschloss gesichert war.
    Solo griff in die Tasche seines Jacketts und holte einen Draht heraus. In Windeseile hatte er das Schloss geöffnet.
    »Was soll das?« Ich hatte keine Lust, in Bauschutt herumzustapfen.
    »Ich muss hier rein, Bilder machen.« Er guckte mich wütend an.
    »Dann tu's doch. Aber ohne mich.«
    »Hab Vertrauen zu mir.« Jetzt bettelte er.
    »Vertrauen? Erst, wenn du tot bist.« Ich wollte mich gerade umdrehen und verschwinden, als ich einen eisernen Griff am Arm spürte. Solo drückte mich durch die Tür und schloss sie hinter uns.
    Der Anblick, der sich uns bot, hatte ›Kriegsqualität‹: Graue, mannshohe Steine lagen verkeilt in- und aufeinander, zersplitterte Fassadenkacheln, schwere Mauerreste, verrostete Eisenstangen, einzelne Betonsteine, Unmengen von Staub und kieselgroßen Betonbrocken.
    Solo lichtete das apokalyptische Chaos ab. Wie ein wilder Zwerg stieg er über dampfende Trümmer, hielt den Kopf in künstliche Höhlen, lehnte sich an zerrissene Mauerstücke, um den bestmöglichen Bildausschnitt zu bekommen. Besessen malträtierte er immer wieder den Auslöser des Fotoapparates, der geduldig klickte und den Film weiter transportierte.
    »Ich brauche einen Kaffee«, nörgelte ich.
    »Hier, schau mal!« Solos Stimme war hell und aufgeregt.
    Ich stieg durch die Trümmerlandschaft.
    »Da!« Mit dem Kinn deutete Solo zu einem Mauerstück hin, das an eine Betonsäule gekippt lag und so ein kleines Dach über einer Öffnung bildete. Aus ihr ragten zwei menschliche Füße. Sie steckten in schwarzen Herrenschuhen, die mit grauem Staub überpudert waren.
    Entsetzt sah ich Solo an. Er trug ein zufriedenes Lächeln im
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