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Grappa 05 - Grappa faengt Feuer

Grappa 05 - Grappa faengt Feuer

Titel: Grappa 05 - Grappa faengt Feuer
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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verdienen. Befinden Sie sich nicht gerade selbst in dieser Lage?«
    Er wurde bleich und ließ meinen Arm plötzlich los. Dann verbarg er den Blick wieder hinter der Brille. Nicht schnell genug, denn ich entdeckte Angst in seinen Augen.
    »Es wäre vielleicht angebrachter, mich etwas netter zu behandeln«, schlug ich vor.
    »Warum sollte ich das tun? Wollen Sie etwa irgendjemandem erzählen, dass ich …« Die Scham ließ ihn verstummen.
    »Keine Angst«, beruhigte ich ihn, »das habe ich nicht nötig. Typen wie Sie habe ich noch immer aus der Hose gekippt. Ohne Netz und doppelten Boden.«
    Ich bedachte ihn mit einem meiner diabolischen Grinser, die ich für Situationen wie diese immer parat habe, und ging zu Daphne Laurenz. Die Reisegruppe schien inzwischen fast komplett zu sein. Daphne sammelte die Flugscheine ein, um sie der Frau hinter dem Counter zu bringen. Ich gab ihr mein Ticket.
    »Warum kann er mich nicht leiden?«, fragte ich sie und deutete mit meinem Kinn in Richtung Kondis.
    »Nehmen Sie's nicht so tragisch. Er ist in einer schweren Krise«, erklärte sie, »er ist stolz und kann nicht begreifen, was mit ihm geschehen ist. Er glaubt, dass ihm jeder den Makel ansieht. Mit 46 Jahren steht er vor dem Nichts, muss sich eine neue Existenz aufbauen.«
    »Na und? Was hat das mit mir zu tun?«
    »Sie kennen seine Geschichte; er hat Angst, dass Sie darüber berichten. Außerdem reagiert er auf Frauen wie Sie … na ja, er ist halt Grieche und hat ein entsprechendes Frauenbild.«
    »Das ist ganz allein sein Problem!«, rief ich aus. »Ich lasse mir die Reise nicht von ihm verderben. Hat er es eigentlich getan?«
    »Was?«, fragte sie irritiert.
    »Geklaut. Ist er ein Dieb?«
    »Natürlich nicht!«
    »Aber bewiesen ist das nicht, oder?«
    Sie konnte nicht mehr antworten, denn die Frau hinter dem Schalter griff nach den Tickets.
    »Für mich auf jeden Fall einen Nichtraucherplatz!«, bat ich.

Ein Gottesmann und ein Furientanz
    Im Flugzeug zu essen ist fast so schlimm wie im Flugzeug zu schlafen. Die Sitze sind so eng gestellt, dass es unmöglich ist, Messer und Gabel in der für sie vorgesehenen Weise zu benutzen. Die Ellenbogen eng an den Körper gepresst, versuchte ich nur mit den Unterarmen und Händen ein angebliches Cordon bleu im Miniformat zu erlegen. Die Plastikgabel überstand meinen Wutanfall nicht, und ich stülpte den Aludeckel zurück auf die heiße Folie. – Dann schon lieber altersgerechtes »Essen auf Rädern«, das sieht nicht nur aus wie vorgekaut, sondern ist es vermutlich auch. – Die Stewardess räumte die Reste zum Glück schnell weg.
    Während ich die Schlacht schon verloren gegeben hatte, kämpfte mein Nachbar tapfer weiter mit den Tücken moderner Verpackung. Zunächst verbrannte er sich die Hand beim Hochheben des Aludeckels, unter dem das Cordon-bleu-Plagiat schlummerte. Ein Teil der Soße hing noch am Deckel und kleckerte über die Hand. Als er nach der Papierserviette greifen wollte, stieß er sein Mineralwasser um, das sich über das Besteck und die Tüten mit Pfeffer und Salz ergoss. Er ignorierte den Schaden und versuchte vorsichtig, die Erbsen und Möhrchen auf seine Gabel zu schaufeln.
    Auf dem Weg zum Mund passierte das nächste Unglück. Die schwachgrünen Erbsen waren noch nicht genug zerkocht, um nicht von der Gabel zu kullern. Fasziniert sah ich ihnen nach, wie sie sich zwischen seinen Beinen ein warmes Plätzchen suchten.
    Dann kam die Stewardess mit der Kaffeekanne. Er reichte ihr sein Plastiktässchen und griff wieder danach, als es gefüllt war. Vorsichtig balancierte er den Kaffee an meinem Gesicht vorbei. Ich schloss vor Schreck die Augen und rechnete mit einer braunen Dusche. Doch nichts geschah. Langsam entspannte ich mich wieder.
    Ich dachte über meine Arbeit nach. Jason Kondis' Abneigung gegen mich und meinen Job würde die Sache nicht gerade erleichtern. Aber es war zu früh, darüber nachzudenken. Ich nahm meinen Rekorder aus dem Handgepäck, stöpselte die Kopfhörer ein und schmiss eine Musikkassette rein. Entspannung war angesagt, und das gelingt mir am besten mit Klassik. Um mich auf die griechische Mythologie einzustimmen, entschied ich mich für Glucks Oper »Orpheus und Eurydike« mit der legendären Primadonna assoluta Maria Callas in der Partie des Orpheus. Gerade als meine Lieblingsarie begann – J'ai perdu mon Eurydice – zupfte mich jemand am Ärmel. Ich tat so, als würde ich nichts bemerken.
    Doch der Zupfer ließ nicht locker. Unwillig öffnete
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