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Grappa 05 - Grappa faengt Feuer

Grappa 05 - Grappa faengt Feuer

Titel: Grappa 05 - Grappa faengt Feuer
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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Fünfhundert Meter können sehr tief sein
    Es gibt viele Gründe, seine gewohnte Umgebung zu verlassen. Christoph Kolumbus segelte los, um die Indianer zu beglücken, Alexander von Humboldt bestieg den Chimborazo, um sein Herbarium zu vervollständigen, und Almuth Traunich verließ Bierstadt, weil sie ein Leben lang von einer Bildungsreise geträumt hatte. An dem Tag, an dem sie ihren Gatten Alfred mit einer graziösen Handbewegung ins Jenseits beförderte, wehte ein kühler Wind durch die Schlucht. Das war in der Nähe des nordgriechischen Dorfes Monodendrion. Alfred Traunich wollte sich gerade eine Zigarre anzünden. Er hatte sie noch zwischen den Lippen, als er in die Wacholdersträucher fiel, die fünfhundert Meter unter ihm das Flussbett säumten. Zu einem Waldbrand kam es zum Glück nicht, da eine Windböe das Streichholz ausgeblasen hatte, bevor der Brennstab glimmte.
    Alfred Traunichs Tod passte nicht zu meinem Auftrag, obwohl ich Storys mit dramaturgisch exakt gesetzten Höhepunkten mag. Wie aber sollte ich Traunichs Abgang in ein 45-minütiges Hörfunk-Feature packen, das den griffigen Titel »Die Bildungsreise als intellektuelle Form des Massentourismus« trug?
    Ich suchte die Kassette mit dem Interview heraus, das Traunich mir zum Beginn der Reise gegeben hatte.
    Kassette 1. Bildungsreise. Interviews. So, jetzt geht's los. Sie heißen?
    Alfred Traunich, 50 Jahre, Architekt.
    Was bauen Sie?
    Baumärkte, Hallen für Großveranstaltungen.
    Und? Kann man davon leben?
    Darauf können Sie Gift nehmen!
    Haben Sie schon mal eine Bildungsreise gemacht?
    Seh ich so aus? Ich bin nur hier, weil meine Frau sich die Reise zur Silberhochzeit gewünscht hat.
    Sie interessieren sich also nicht für die griechische Antike?
    Nicht die Bohne. Schon in der Schule hasste ich diesen Heldenkram.
    Wo wären Sie denn lieber hingefahren?
    Nach Österreich. Da haben wir ein Haus am See. Und ein Boot. Genau richtig zum Ausspannen. Aber die gnädige Frau hat ja so ihre Ambitionen. Hat sich kiloweise mit Büchern eingedeckt.
    Meinen Sie Ihre Frau?
    Sicher. Machen Sie das Interview mit der. Die kann die griechischen Götter inzwischen auswendig runterleiern. Ich wünschte, ich hätte die Reise schon hinter mir!

Der Wellenchef hat eine Idee
    Nach dem plötzlichen Tod von Alfred Traunich saß unsere Reisegruppe ein paar Tage in den Bergen fest. Gelegenheit für mich, mein Material zu sichten und ein Konzept für das Feature zu entwerfen. Dabei kramte ich in meinen Erinnerungen.
    Begonnen hatte alles mit einer Einladung zu einer Einweihungsfeier. Der Sender, für den ich hin und wieder arbeitete, hatte mal wieder seine Programmstruktur geändert, »optimiert«, wie es so schön heißt. So war das neue Reisemagazin geboren worden. Schlaue Planer hatten nämlich festgestellt, dass die Menschen in unserem von Arbeitslosigkeit gebeutelten Land immer mehr Geld für die Gestaltung ihrer Ferien ausgeben. Zwei Klassen von Pauschaltouristen hatten sich dabei gebildet. Die einen flogen nach Mallorca oder Lloret de Mar, um ihren Lieblingshobbys – Fressen, Vögeln, Saufen – nachzugehen, die anderen strebten danach, sich im Urlaub geistig zu erhöhen. Kurz gesagt: die Bildungsreisen boomten.
    »Und Sie, Frau Grappa«, meinte der just gekürte »Wellenchef« gönnerhaft zu mir, »können das Nützliche mit dem Angenehmen verbinden.«
    Er war der Gastgeber an dem Abend, denn pünktlich zur Beförderung war seine Villa im Süden der Stadt fertig geworden. Die Bosse des Senders pflegten ihr gutes Verhältnis zu den von ihnen Abhängigen ab und zu mit einer privaten Einladung zu demonstrieren. Überall in dem neureichen Haus war Menschengebrumm zu hören. Frauen und Männer mit Gläsern und voll beladenen Tellern in der Hand rannten an mir vorbei, nicht ohne dem Gastgeber einen freundlichen Blick zuzuwerfen.
    »Erzählen Sie mehr!«, bat ich.
    Es folgte ein fünfminütiger Vortrag, in dessen Mittelpunkt die eigenen Erlebnisse auf Reisen an irgendwelche Orte standen.
    »Also soll ich eine Bildungsreise antreten?«, interpretierte ich.
    »Genau. Ich habe alles schon organisiert. In einer Woche fahren Sie.«
    »Und wohin?«
    »Ach, sagte ich das nicht? Natürlich nach Griechenland. Ein Bekannter von mir wird diese Reise leiten. Er hat vor Kurzem ein Reisebüro aufgemacht, das sich auf Bildungsfahrten spezialisiert hat.«
    »Griechenland?«, maulte ich. »Ich will aber lieber nach Italien.«
    »Das Land der klassischen Bildungsreise ist Griechenland«,
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