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Grappa 05 - Grappa faengt Feuer

Grappa 05 - Grappa faengt Feuer

Titel: Grappa 05 - Grappa faengt Feuer
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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für jeden von Ihnen ein Erfolg wird. Dazu gehört natürlich, dass wir uns alle ein bisschen näher kennenlernen. Deshalb bitte ich Sie, sich vorzustellen. Fangen wir an. Frau Grappa, sagen Sie am besten etwas zu Ihrer Arbeit.«
    »Aber gern«, flötete ich. »Mich interessiert das Phänomen des Massentourismus, in diesem Falle die intellektuelle Spielart dieses Phänomens, die Bildungsreise nämlich. Was treibt alljährlich Hunderttausende von Menschen aus ihrer gewohnten Umgebung in eine fremde Welt? Was sind das für Menschen, die ihr schwer verdientes Geld dafür opfern, Einblick in fremde Kulturen zu bekommen? Die körperliche Anstrengungen und ungewohnte Belastungen auf sich nehmen, um Relikte einer längst vergangenen Welt zu betrachten, mit der sie eigentlich überhaupt nichts zu tun haben können? Tun sie es aus Bildungsbeflissenheit? Einige von ihnen sind vielleicht sogar auf der Suche nach sich selbst, wollen die Wurzeln ihrer Existenz entdecken. Es kann ja auch durchaus reizvoll sein, das Ich vor einer klassischen Kulisse in Bezug zur heutigen Welt zu setzen. Auf der anderen Seite könnten die erhofften Motivationsziele auch viel zu illusionistisch sein und vielleicht in einer individualistischen Wohlstandskritik eine angemessene Antwort finden. Diese schwierigen Fragen möchte ich beantwortet haben! Und ich hoffe, Sie werden mir dabei helfen!«
    Ergriffenes Schweigen herrschte. Nur um Kondis' Mund flatterte ein maliziöses Lächeln. Er war auf meine Sülzerei nicht hereingefallen.
    Manchmal ist die Wahrheit halt nicht angesagt, dachte ich. Diese Reise war ein Job wie jeder andere. Ob ich nun mit der Bierstädter Fußballmannschaft zu einem Auswärtsspiel fuhr, um eine Reportage über die rabiaten Hooligans zu machen, oder mich als Pflegerin in ein Altenheim einschlich, um eine diebische Heimleiterin zur Strecke zu bringen … die Aufgabe blieb gleich: Informationen sammeln, sie einordnen und verwerten und dem Leser, Hörer oder Zuschauer in möglichst mundgerechten Stücken servieren. Wenn ich dabei persönlich noch auf meine Kosten kam, umso besser.
    Der Pater ergriff das Wort. Er hieß Benedikt, war 60 Jahre alt und befasste sich mit vergleichenden Religionswissenschaften. Er gehörte dem Benediktinerorden an, der ihm nach einer Herzoperation diese Reise spendiert hatte. Diese wolle er genießen, Kraft schöpfen, um dem Herrn weiterhin in Freude und Demut zu dienen. Die Glasbausteine vor seinen Augen blitzten in der Sonne, als er sagte: »Im Gegensatz zu Frau Grappa stelle ich nicht diesen abgehobenen intellektuellen Anspruch in den Mittelpunkt. Ich möchte mich mit schlichter Freude an Gottes Schöpfung erbauen.«
    Eins zu null für den Gottesmann, dachte ich. Er war mir auch nicht auf den Leim gegangen.
    Aris, der Busfahrer, und sein Sohn stellten sich nicht vor, sie gehörten zum Personal, genauso wie Daphne.
    Die alleinreisende Dame hieß Gerlinde von Vischering. Ihren schwarzen Haaren hatte ein Friseur einen zu kurzen Schnitt verpasst, die strenge dunkle Hornbrille ließ sie finster dreinblicken. Ihr Mund war schmal und grell geschminkt. Das Leben musste sie irgendwann gebeutelt haben, denn die Falten über der Nasenwurzel und neben den Mundwinkeln glichen den Rissen in einem indischen Flussbett nach monatelanger Trockenheit. Sie war schlank und trug ein dunkelblaues Kostüm, so, als wollte sie mit dem Block in der Hand zu einer Aufsichtsratssitzung.
    Die Strenge ihrer Ausstrahlung stand im Gegensatz zu ihrer blumigen Sprache. Sie schwärmte vom blauen griechischen Meer, vom weißen griechischen Marmor und von der warmen griechischen Sonne. Sie liebte den griechischen Menschen ob seiner Unbekümmertheit, das griechische Essen wegen seiner Ursprünglichkeit und die griechische Musik wegen ihres archaischen Klangs.
    Ein bisschen viel Liebe auf einmal, dachte ich. Es klang so unecht wie die Texte aus dem Prospekt eines Billigreisenanbieters, der nicht zugeben will, dass die Strände schmutzig sind und das Klo an chronischer Verstopfung leidet.
    Alfred Traunich hustete einmal kräftig durch und bollerte los. Seine Gattin hätte ihn hierher geschleppt, sie habe sich die Reise zur Silberhochzeit gewünscht. Als Architekt moderner Zweckbauten könne er die haltbare Bautechnik der Griechen nicht verstehen. »Das muss ja eine Menge Geld gekostet haben.« Anschließend erläuterte er uns seine Philosophie des Bauens: möglichst schnell, möglichst praktisch und möglichst billig.
    Nach dem Verbaltornado
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