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Grant County 03 - Dreh dich nicht um

Grant County 03 - Dreh dich nicht um

Titel: Grant County 03 - Dreh dich nicht um
Autoren: Karin Slaughter
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aber es stimmte. So schlimm es für sie selbst im Wald gewesen war, auch Jeffrey hatte schrecklich gelitten.
    »Langsam verstehe ich, warum du ihm nie länger böse sein kannst«, sagte Cathy, während sie Tessa die Hände eincremte. »Erinnerst du dich, als er damals nach Florida fuhr, um sie abzuholen?«
    Sara lachte. Die Geschichte hatte sie ganz vergessen. Vor Jahren, als Tessa in den Osterferien mit dem Wagen vom College nach Florida fuhr, hatte sie einen Unfall mit einem gestohlenen Bierlaster gehabt. Jeffrey war mitten in der Nacht nach Panama City gefahren, um mit der örtlichen Polizei zu reden und Tessa heimzuholen.
    »Sie wollte nicht, dass Daddy kommt«, sagte Cathy. »Auf keinen Fall.«
    »Daddy hätte sie auf der ganzen Heimfahrt mit ›Ich hab’s dir doch gesagt‹ gequält.« Eddie hatte Tessa gewarnt, nur ein Narr würde mit einem MG-Cabrio nach Florida fahren, wenn zwanzigtausend betrunkene Studenten unterwegs waren.
    »Tja«, sagte Cathy und cremte Tessas Arm ein. »Er hatte Recht.«
    Sara lächelte, aber sie sparte sich den Kommentar.
    »Ich bin froh, dass Jeffrey kommt«, sagte Cathy mehr zu sich selbst als zu Sara. » Tessa soll aus seinem Mund hören, dass es vorbei ist.«
    Obwohl Sara wusste, dass ihre Mutter nicht wissen konnte, was zwischen ihr und Mason James vorgefallen war, fühlte sie sich ertappt.
    »Was hast du?«, fragte Cathy. Wie immer spürte sie, dass etwas los war.
    Sara gestand sofort. Sie hatte das Bedürfnis, ihr Gewissen zu erleichtern. »Ich habe Mason James geküsst.«
    Cathy schien verblüfft. »Nur geküsst?«
    »Mama!« Sara versuchte, ihre Verlegenheit mit Entrüstung zu überspielen.
    »Na und?« Cathy tupfte sich noch mehr Creme auf die Hände und rieb sie aneinander, um sie zu wärmen. »Und, wie war’s?«
    »Zuerst schön, aber dann …« Sara fasste sich an die Wangen und spürte die Hitze.
    »Dann?«
    »Dann war es nicht mehr so schön«, gab Sara zu. »Ich musste die ganze Zeit an Jeffrey denken.«
    »Das sollte dir einen Hinweis geben.«
    »Wie meinst du das?« Sara konnte ihren mütterlichen Rat jetzt gut gebrauchen.
    »Sara«, seufzte Cathy. »Dein größter Fehler war immer deine Intelligenz.«
    »Na wunderbar«, sagte Sara. »Das werde ich meinen Patienten erzählen.«
    »Jetzt werd nicht gleich überheblich«, mahnte Cathy. »Du warst in letzter Zeit so schrecklich ruhelos, und ich habe es satt, dir zuzusehen, wie du deinem Leben in Atlanta hinterherweinst.«
    »Aber das tue ich doch gar nicht«, verteidigte sich Sara, doch sie war nie eine gute Lügnerin gewesen, vor allem nicht vor ihrer Mutter.
    »Dein Leben ist so reich. Du hast so viele Menschen, die dich lieben und sich um dich sorgen. Gibt es denn irgendwas, was du bei uns nicht haben kannst?«
    Vor zwei Stunden hätte Sara noch eine ganze Liste von Dingen aufzählen können, doch jetzt schüttelte sie den Kopf.
    »Vielleicht solltest du mal daran denken: Egal, wie schlau dein Gehirn da oben ist, es ist dein Herz, das Fürsorge braucht.« Sie sah Sara scharf an. »Und du weißt, was dein Herz braucht, oder?«
    Sara nickte, doch ganz sicher war sie sich nicht.
    »Oder?«, beharrte Cathy.
    »Ja, Mama«, antwortete Sara, und irgendwie wusste sie es sogar.
    »Gut«, sagte Cathy und betrachtete ihre Hände. »Jetzt geh und red mit deinem Vater.«
    Sara küsste Tessa und dann ihre Mutter, bevor sie das Zimmer verließ. Ihr Vater stand am Ende des Gangs am Fenster und beobachtete den Verkehr, genau wie Sara es in Tessas Zimmer getan hatte. Er ließ immer noch die Schultern hängen, doch das alte weiße T-Shirt und die ausgewaschenen Jeans waren unverkennbar Eddie. Sara war ihrem Vater manchmal so ähnlich, dass es sie erschreckte.
    Sie sagte: »Hallo, Daddy.«
    Er drehte sich nicht um, doch Sara spürte seine Trauer so deutlich wie die Kälte, die durch das Fenster kroch. Eddie Linton war ein Mann, der voll und ganz in der Familie aufging. Seine Frau und seine Kinder waren seine Welt, und Sara war so sehr mit ihrem eigenen Kummer beschäftigt gewesen, dass sie kaum gemerkt hatte, welchen Kampf ihr Vater durchstehen musste. Er hatte so hart dafür gearbeitet, seinen Kindern ein sicheres und glückliches Zuhause zu bieten. Eddies Zurückhaltung gegenüber Sara in dieser Woche war keine Schuldzuweisung gewesen – im Gegenteil, er hatte sich selbst die Schuld gegeben.
    Eddie zeigte nach draußen. »Siehst du den Kerl da, der den Reifen wechselt?«
    Sara sah den grellen grüngelben Kastenwagen der
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