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Granger Ann - Varady - 05

Titel: Granger Ann - Varady - 05
Autoren: Und hute dich vor deinen Feinden AEA4CEC7
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hatte. Vor allem das Mädchen mit den krausen Haaren
war wenig beeindruckt. Ob wir nicht alle unsere eigenen
Kostüme machen oder vielleicht sogar zu einem richtigen
Kostümverleiher gehen und uns dort ausstaffieren lassen
sollten, fragte sie mit einer gewissen Schärfe in der Stimme.
Nicht nötig, versicherte uns Marty rasch. Abgesehen von der
Tatsache, dass wir kein Geld besaßen, würde Freddy sämtliche Kostüme stellen.
Ermutigt durch seine Worte beendeten wir unsere Lesung
und gingen auf ein Pint in Freddys Pub. Anschließend gingen wir nach oben, um die Kostüme zu inspizieren, die von
anderen Produktionen übrig geblieben waren, welche Freddy in seinem Veranstaltungsraum aufgeführt hatte, darunter
auch ein Musical aus viktorianischer Zeit.
Marty öffnete den Deckel des Wäschekorbs, und ein stark
muffiger Geruch entwich.
»Puh!«, sagte Nigel. »Das riecht ein wenig, findet ihr
nicht? Seid ihr sicher, dass niemand eine Leiche in dem
Ding versteckt hat?«
Martys Hand tauchte in den Korb, und er zog das erste
Requisit hervor. Es war ein Bowler. »Wunderbar!«, rief er,
polierte den Filz mit dem Ärmel und hielt Ganesh den Hut
hin.
»Vergiss es!«, sagte Ganesh und wich zurück. »Ich trage
keinen Bowlerhut!«
»Stell dich nicht so an, Kumpel!«, sagte Nigel tröstend.
»Ich muss einen Jägerhut tragen. Freddy leiht sich den irgendwo. Bescheuerter als mit einem Jägerhut kann man gar
nicht aussehen.«
»Das liegt daran«, sagte Ganesh steif, »dass du Holmes
bist. Ich bin nur Watson.«
Damit war es entschieden. Er würde den Bowler nicht
tragen. Obwohl Ganesh sich nach außen hin gesträubt hatte,
in unserem Stück überhaupt mitzuspielen, war er insgeheim
sauer, weil er nicht die Hauptrolle bekommen hatte. Wir
waren mitten in der ersten Episode künstlerischer Trotzanfälle.
Inzwischen machte uns die Kälte zu schaffen. Freddy hielt
nichts davon, Heizungen einzuschalten, wenn sie die Kosten
nicht einspielten. Sollte irgendjemand unbesonnen genug
sein, den Raum zu mieten, schaltete er die Heizung ein. Bis
dahin jedoch war der Raum kalt wie eine Leichenhalle, und
die Heizung hatte keine Chance. Vor meinem geistigen Auge sah ich unser Publikum, wenn es je zur Uraufführung
kommen sollte, wie es in Übermänteln auf den Plätzen saß.
Die Klügeren von ihnen, die den Schauplatz bereits kannten, würden ihre Wärmflaschen mitbringen. Wir hingegen
auf der Bühne würden uns durch das Stück zittern. Nur das
kraushaarige Mädchen, das auf den Namen Carmel hörte,
würde nicht frieren in seiner Rolle als Mrs Hudson mit den
dicken Schaumstoffpolstern.
»Mach endlich weiter, Marty«, flehte ich, »bevor wir alle
zu Eis erstarren.«
Wir kramten in dem Korb, zogen Dinge hervor, legten sie
zur Seite oder wieder zurück. Wir legten mehr zurück, als
wir zur Seite legten.
»Igitt«, sagte Carmel. »Das stinkt alles.«
»Es muss nur mal gelüftet werden«, sagte Marty in dem
vergeblichen Versuch, unserer Kritik die Spitze zu nehmen.
»Ich werde jedenfalls nichts davon anziehen«, erklärte
Carmel. »Bestimmt ist alles voller Flöhe.«
»Na, dann nimm es doch mit nach Hause, und wasch die
Sachen, die du tragen willst«, beharrte Marty.
»Ich habe keine verdammte Wäscherei!«, fauchte sie.
»Musst du auch nicht. Nimm es einfach mit zu dem
Waschsalon an der Ecke, und steck es in eine von den Maschinen dort.«
»Marty«, glaubte ich sagen zu müssen. »Ich denke nicht,
dass dieses Zeug eine Waschmaschine überstehen würde. Es
ist alles uralt und brüchig. Es wurde nicht gepflegt, und der
viele Schweiß hat den Stoff verrotten lassen.«
»Hast du das gehört?«, kreischte Carmel.
»Es ist aber die viktorianische Periode!«, sagte Marty verzweifelt. »Du und Fran, ihr braucht nichts weiter als lange
Röcke und Blusen mit langen Ärmeln. Könnt ihr denn keine
langen Röcke auftreiben? Versucht es doch mal im OxfamLaden!«
»Ich dachte, wir würden ein wenig Geld mit diesem Stück
verdienen und nicht unser Honorar für Kostüme ausgeben«, schmollte Carmel. »Außerdem brauche ich zwei. Ich
kann nicht die gleichen Sachen für beide Rollen anziehen –
erst recht nicht, wo ich in einer Rolle dick und in der anderen dünn bin!«
Ich zog einen gestreiften Rock und eine dazu passende
Jacke mit Keulenärmeln hervor. »Ich nehme das hier mit
nach Hause und werde versuchen, es mit der Hand zu waschen«, sagte ich und steckte beides in eine Tesco-Tragetüte.
Martys Stimmung hellte sich sichtlich auf.
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