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Granger Ann - Varady - 02

Titel: Granger Ann - Varady - 02
Autoren: Denn umsonst ist nur der Tod
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Daphnes Haus war die Messingplatte durch eine milchig-undurchsichtige Scheibe aus gehärtetem Glas ersetzt worden ähnlich dem Oberlicht in einer unterirdischen öffentlichen Toilette. Eigenartig.
Bevor ich an der Haustür klingelte, schlich ich hinunter
zum Souterrain und warf einen Blick hinein. Der Eingangsbereich war eng, denn eine frisch eingezogene Mauer, etwa
zwischen Haus und dem Bürgersteig darüber, verkleinerte
jetzt den ursprünglichen Raum. Ich konnte den Sinn darin
nicht erkennen; es erschien mir merkwürdig. Neben der
Vordertür gab es ein Fenster, und als ich einen Blick hindurchwarf, sah ich einen großen Raum, der heller war als
viele andere Untergeschosse, denn durch ein weiteres Fenster am anderen Ende, das offensichtlich ein Zugang zum
Garten war, fiel zusätzlich Licht hinein. Das Zimmer war
mit recht ansehnlichem Mobiliar ausgestattet. Durch eine
halb geöffnete Tür erhaschte ich einen Blick auf eine Küchenzeile. Sogar auf den ersten Blick machte die Wohnung
einen sauberen, frisch renovierten und alles in allem höchst
erstrebenswerten Eindruck. Ich staunte nicht schlecht darüber, dass sie leer stand.
Ich war inzwischen so gut wie sicher, dass ich nicht die
passende Person war, um in einer Wohnung wie dieser zu
leben, nicht einmal mit Unterstützung der Stadt. Daphne
Knowles würde wahrscheinlich in dem Augenblick, in dem
sie mich sah, einen Alarmknopf drücken oder etwas Ähnliches. Vielleicht, wenn ich einen Job fand, irgendwann in der
Zukunft, ein anständiges Einkommen hätte und mich und
meinen Lebensstil vollkommen änderte – doch hier und
jetzt besaß ich weder Arbeit noch Geld, und diese Wohnung
überstieg eindeutig meine Verhältnisse.
Immerhin: Ich war hier, und Alastair würde bei Miss
Knowles nachfragen, ob ich mich gemeldet hätte, also stieg
ich beide Treppen zur Straße und anschließend zur Haustür
hinauf und läutete.
Einige Augenblicke später hörte ich gedämpfte Schritte.
Die Tür wurde geöffnet, und vor mir stand eine hoch gewachsene, sehr dünne Frau mit drahtigem grauen Haar. Sie
trug eine Jogginghose und ein Sweatshirt und an den Füßen
hell gemusterte Stricksocken mit weichen Ledersohlen. Ich
war darauf vorbereitet, dass sie »Verschwinden Sie! Ich gebe
nichts an der Tür!«, zu mir sagte: Nichts dergleichen geschah.
»Hallo!«, begrüßte sie mich stattdessen freundlich.
»Ich bin Fran Varady«, stellte ich mich vor. »Alastair
Monkton hat mich geschickt.«
»Natürlich«, sagte sie. »Kommen Sie doch bitte herein.«
Sie schloss die Haustür hinter uns und ging mit raschen
Schritten vor mir her durch den Flur. Ich beeilte mich, ihr
zu folgen, während ich versuchte, einen Eindruck von ihrer
Wohnung zu gewinnen.
Was ich sah, überzeugte mich nur noch mehr davon, dass
ich keine Chance auf die Wohnung hatte. Das Haus atmete
förmlich Respektabilität aus. Das Mobiliar war alt, wunderbar gepflegt und wahrscheinlich wertvoll. Ich meine damit
Antiquitäten. Eine schmale Treppe mit einem geschnitzten
Geländer führte nach oben in Regionen, die meinem Blick
verborgen blieben. Die Wand entlang der Treppe war geschmückt mit frühen französischen Modedrucken. In der
Luft lag der Duft von frisch aufgebrühtem Frühstückskaffee,
Lavendelwachs und Schnittblumen.
Wir kamen in ein großes, weitläufiges Wohnzimmer, von
dem aus ich ein kleines Stückchen Garten sehen konnte. Die
Sonne schien herein und beleuchtete Buchrücken, Reihen
auf Reihen. Das war das Haus einer Bibliothekarin, kein
Zweifel. Am Fenster stand ein Tisch und auf dem Tisch eine
sperrige, altmodische Schreibmaschine. Ein Blatt Papier war
eingespannt, und ein Stapel Papier lag neben der Maschine.
Es sah aus, als hätte ich sie bei der Arbeit gestört. Wieder
etwas, was höchstwahrscheinlich mein Konto mit Minuspunkten anwachsen ließ.
Daphne Knowles nahm in einem Schaukelstuhl aus Rattan Platz, der mit hellgrünem und rosafarbenem, geblümtem Kretonne gepolstert war, und bedeutete mir, mich auf
das Sofa zu setzen. Ich sank in die Federkissen und verlor
fast das Gleichgewicht. Ich fühlte mich gefangen und beträchtlich im Nachteil, doch Daphne strahlte mich einfach
an, während sie sacht mit ihrem Schaukelstuhl zu schaukeln
begann, bis das Möbel protestierend knarrte.
»Sie also sind Alastairs Mädchen!«, bemerkte sie.
Einen grauenhaften Augenblick lang dachte ich, dass es
eine Verwechslung gegeben hatte und sie glaubte, ich wäre
Alastairs Enkelin, die tot war.
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