Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Granger Ann - Varady - 02

Titel: Granger Ann - Varady - 02
Autoren: Denn umsonst ist nur der Tod
Vom Netzwerk:
gehört. Deswegen müssen wir ausziehen. Ich meine, ich kann mich doch schließlich nicht von
Winston trennen! Er ist alles, was ich habe!«
Winston rümpfte die Nase und kauerte sich zitternd in
seine Schachtel. Er sah freundlich und nett aus, wie Kaninchen es nun einmal tun; es war dennoch eine deprimierende
Vorstellung, dass ein Mensch keinen anderen lebenden
Freund mehr hatte, außer einem Kaninchen. Wann immer
ich zu selbstgefällig werde, weil ich ohne viel Bindungen zu
anderen auskomme, versuche ich, mich an Menschen wie
diesen Mann mit seinem Kaninchen zu erinnern.
Er beugte sich jetzt zu mir vor, und sein Gesicht war faltig
vor Sorge. »Ich lasse Winston nie zu Hause, wenn ich weggehe. Ich nehme ihn immer in seiner Schachtel mit, so wie
jetzt auch. Es macht ihm nichts aus; er ist daran gewöhnt.
Wo ich wohne, gibt es Leute, die würden es sofort ausnutzen, wenn sie wüssten, dass ich Winston allein zu Hause lasse. Kinder, die ihn aus seinem Stall lassen und irgendwohin
mitnehmen, wo sich Hunde einen Spaß mit ihm machen.
Ich habe Hunde gesehen, die eine kleine Kreatur wie Winston in zwei Teile reißen. Natürlich nur, wenn nicht irgendjemand vorher Frikassee aus ihm macht.«
Ich wünschte ihm von ganzem Herzen, dass er und sein
Kaninchen eine neue Wohnung fänden, wo beide in Frieden
leben könnten, und sagte dies auch.
Danach war ich an der Reihe.
Ich erklärte, dass ich von einer freien Wohnung erfahren
hätte. Bevor ich mich als Mieter bewerben könne, müsse ich
wissen, mit wie viel Hilfe ich bei der Miete rechnen dürfe,
nachdem ich momentan ohne Arbeit sei.
Nachdem ich alle Fragen beantwortet hatte – und es waren eine ganze Menge Fragen, angefangen bei meinen persönlichen Lebensumständen über die Adresse der in Aussicht gestellten Wohnung bis hin zu der Frage, wie sie denn
so sei (was ich natürlich noch nicht wusste) –, erhielt ich
gute und schlechte Nachrichten.
Die gute Nachricht lautete, dass ich wahrscheinlich den
maximalen Zuschuss bekommen würde. Die schlechte
Nachricht – bevor ich zu euphorisch wurde – war, dass dies
in meinem Fall so viel war, wie die Stadtverwaltung als angemessen für eine Unterkunft in der Gegend erachtete, in
der ich wohnen wollte. Darin lag der Haken. Eine für mich
angemessene Unterkunft war nach Meinung der zuständigen Behörde offensichtlich nicht viel größer als Winstons
Kaninchenstall. Und da die Souterrainwohnung sehr wahrscheinlich ein wenig geräumiger sein würde und zudem in
einer Gegend lag, in der freie Wohnungen so rar waren wie
Zähne bei Hühnern, und Vermieter nehmen konnten, was
sie wollten, würde das, was ich von der Wohlfahrt bekam,
bei weitem nicht ausreichen, um die Miete zu bezahlen. Den
Rest musste ich irgendwie selbst heranschaffen.
»Oder Sie suchen sich eine billigere Wohnung«, schlug
die Frau hinter dem Schalter vor und lächelte mich freundlich an.
Was mir die Wohlfahrtsunterstützung einbringen würde,
war mehr oder weniger so viel, wie ich erwartet hatte, und
ich konnte mich nicht beklagen. Es schien mir trotzdem,
selbst die Fahrt zur Besichtigung der Wohnung sei reine
Zeitverschwendung. Trotzdem machte ich mich auf den
Weg, weil ich glaubte, es Alastair zu schulden.
Ich muss sagen – der erste Eindruck, den ich von der Gegend gewann, verstärkte meine Befürchtung, gewiss nicht
als die richtige Person eingestuft zu werden. Sie war deprimierend vornehm. Wenn man von dort kam, wo ich derzeit
wohnte, war es, als würde man auf einen anderen Planeten
gebeamt. Das Haus selbst war groß und schmal und stand in
einer Reihe mit anderen ähnlichen Häusern, alle weiß gekalkt, mit frisch gestrichenen Türen und blitzblanken Fenstern. Eine Treppe führte hinauf zur Haustür, eine zweite
hinunter in das Souterrain. Die Straße wirkte beinahe unnatürlich ruhig. Der eine oder andere Hausbesitzer hatte Ziersträucher in großen Kübeln vor der Tür stehen.
So etwas war auf den Balkonen meines Wohnblocks alles
andere als empfehlenswert. Der Kübel mitsamt Pflanze würde
innerhalb von fünf Minuten verschwinden, sehr wahrscheinlich in dem unbekümmerten Versuch, jemanden unten auf
der Straße zu erschlagen. Was ich in dieser Straße hier sah,
war Leben, zugegeben, jedoch ein Leben, wie ich es nicht
mehr kannte.
Kurios fand ich, dass in gleichmäßigen Abständen vor jedem Haus runde Messingplatten in das Pflaster auf dem
Bürgersteig eingelassen waren, wie die Abdeckungen für
kleine Kabelschächte. Vor
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher