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Gottesopfer (epub)

Titel: Gottesopfer (epub)
Autoren: Tanja Pleva
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Unterschrift beherrschte er bald perfekt, und so füllte er Schecks aus und unterzeichnete in ihrem Namen Rechnungen und Briefe.
    Eines Tages kam der Engel zurück. Ihr vertrautes Gesicht, ihr Lächeln und die Erinnerung an das berauschende Gefühl in jener Nacht – er ließ sie in sein Leben. Sie kam fast täglich. Wenn sie Kaffee tranken, stand er manchmal auf und tat, als sähe er nach seiner Tante. Er war sich sicher, dass sie wusste, was passiert war, doch sie fragte nie. Sie war einfach nur gut zu ihm. Sie ließ ihn wieder aufleben, und wenn die dünne Gestalt nachts auf ihm saß und ihn Ungeahntes fühlen ließ, vergaß er alles um sich herum.
    Doch dann betrog sie ihn. Eines Tages eröffnete sie ihm, dass sie schwanger war, dass das Kind aber krank war. Sie war bei einer Frau gewesen, die ihr die Karten gelegt und ihr gesagt hatte, dass das Kind schwachsinnig zur Welt kommen würde. Sie wollte es abtreiben. Sein Kind. Sie hatte sich von ihm abgewandt und sich dem Dämon anvertraut. Da erinnerte er sich an die Worte von Pater Paul. Das Weib ist der Anfang allen Übels.
    Bilder aus seiner letzten Nacht im Kloster tauchten vor seinem inneren Auge auf. Er war nachts aufgestanden, um sich an der Nonne zu rächen, um den Dämon in ihr zu töten. Er war über den Gang gehuscht, bis er plötzlich ein Geräusch gehört hatte. Schnell hatte er sich hinter einer Säule versteckt und gewartet, bis eine gebeugte Gestalt an ihm vorbeigeschlichen war. Sie hatte sich langsam bewegt und ein Bein schwerfällig nachgezogen. Als die Gestalt aus dem Schatten der Säule trat, hinter der er stand,hatte er das Gesicht von Pater Paul erkannt. Er war erstarrt. Warum konnte der alte Mann auf einmal laufen? Später hatte er verstanden, woher der Pater in dieser Nacht die Kraft hatte, aufzustehen und sein Werk zu vollenden: Gott hatte ihm geholfen.
    Er war ihm bis zum Dormitorium der Nonnen gefolgt, wo der Pater im Zimmer von Schwester Augustina verschwunden war. Er hatte an der Tür gelauscht und gehört, wie Pater Paul irgendetwas gemurmelt hatte, dann hatte er Gewimmer gehört. Er hatte die Tür einen Spaltbreit geöffnet und gesehen, wie der Pater dabei war, der Nonne den Kopf zu rasieren. Die Worte des Paters waren nun deutlicher zu hören. Offensichtlich versuchte er Schwester Augustina von einem Dämon zu befreien. Plötzlich hatte der Pater in seiner Handlung innegehalten, sich zur Tür umgedreht und ihn scharf angesehen. Doch dann hatte er gelächelt und ihm ein Zeichen gemacht einzutreten. Bei seinem Anblick hatte die Nonne aufgeschrien und sich mit fliegenden Fingern bekreuzigt, als wäre er der Leibhaftige. »Zieh sie aus«, hatte er ihm befohlen und auf die kniende Gestalt vor sich gezeigt. Er war an die zitternde Nonne herangetreten und hatte ihr das Hemd heruntergezogen. Dann hatte Pater Paul ihm einen Hammer hingehalten und gesagt: »Erschlag sie, sonst schreit sie das ganze Kloster zusammen.« Er hatte keinen Zweifel an der Richtigkeit seiner Tat. Und während der Pater leise lateinische Worte gesprochen hatte, war der Hammer immer wieder auf den Kopf der Nonne gesaust, bis sie in sich zusammengesackt war. Dann hatte er den schweren Körper aufs Bett gezogen, und der Pater hatte sie mit einer Flüssigkeit übergossen. »Vollbringe das Werk und erlöse diese arme besessene Seele«, hatte er gesagt und ihm eine brennende Kerze gereicht. Als er wieder in seinem Zimmer war, hatte er sich ins Bett gelegt, mit offenen Augen an die Decke gestarrt und in die Nacht gelauscht. Die Stille wurde wenig später von schreienden Nonnen und Sirenengeheul durchbrochen. Als er das Kloster verlassen hatte, hatte er die Vergangenheit, die Rache am Weib, die Aufgabe, die ihm Pater Paulaufgetragen hatte, ruhen lassen. Seine geliebte Tante hatte ihm gezeigt, dass das Weib nicht von Grund auf böse war, und auch der Engel hatte ihn davon überzeugt. Doch nun überkamen ihn Zweifel. Er schickte sie fort und holte aus der hintersten Ecke seines Schrankes das alte, in Leder gebundene Buch von Pater Paul, um nachzulesen, woran man erkannte, dass ein Weib besessen war. Drei Tage und drei Nächte las er, und dann wusste er, was er zu tun hatte.

61
    Noch bevor sie die Klinik erreichten, rief Juri zurück.
    Â»Alles ganz normal. Die alte Dame ist bei der Deutschen Bank am Mittelweg, und sie ist die Einzige, die Zugang zum Konto
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