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Gottesopfer (epub)

Titel: Gottesopfer (epub)
Autoren: Tanja Pleva
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dabei.
    Sam schüttelte sich. »Wir leben hier in der Hölle« , hatte Pater Dominik gesagt. Ja, das hier ist wirklich die Hölle, besetzt von Milliarden von Teufeln. Und immer wieder tanzte der eine oder andere von ihnen aus der Reihe, dachte Sam und erhob sich mühsam.
    Inzwischen wimmelte das ganze Haus von Beamten der Spurensicherung, die in ihren weißen Overalls wie Mondmenschen in der Villa herumliefen. »Hier schau mal.« Juri stand hinter ihm und hielt einen Henkerswanst in die Höhe. »Kannst du dich noch …«
    Â»O nein, sag nicht, dass der Henker am Tisch unser Mörder war.«
    Â»Sieht fast so aus. Übrigens sind sie im Keller auf zwei Leichen gestoßen. Eine große und eine kleine. Schätze, es handelt sich um Elisabeth Lange und die Frühgeburt«, meinte Juri.
    Sam nickte, er war todmüde. Er schlug Juri auf die Schulter und trat dann in die kühle Nacht hinaus. Er rief Peter Brenner an, schilderte kurz, wie sie den Fall gelöst hatten, und schaltete dann sein Handy aus.

67
    Der erste schöne Tag in diesem Jahr. Endlich war Frühlingsanfang. Gelbe, weiße und lila Krokusse blühten auf den Wiesen, und selbst ausgesprochene Naturmuffel freuten sich über die Wunder, die die Erde jedes Jahr wieder hervorbrachte. Auch an den Bäumen zeigten sich bereits die ersten Blätter, nur die Rhododendren blühten noch nicht.
    Eine kleine Gruppe stand in der Frühlingssonne vor dem Sarg, auf dem ein Kranz aus weißen Lilien lag. Das Ende eines Lebens – oder war das erst der Anfang, wie Lily geglaubt hatte? Er hörte noch ihre Worte: »Alles hat einen Sinn, Sammy.« Ja, dachte er, ihre Krankheit, ihr Tod hatten am Ende doch einen Sinn gehabt. Ohne Lily wäre er nicht in der Klinik auf dieSkelettfrau gestoßen und hätte den entscheidenden Hinweis auf den Mörder nicht erhalten. Die Frau, von der sie nun immerhin wussten, dass sie Solveigh hieß, war nach der Hypnose wieder in ihre Welt eingetaucht und flüsterte seitdem wieder Bibelverse vor sich hin.
    Die Sonne spiegelte sich auf dem blanken Holz des Sarges. Fast schien es, als schimmere der Sarg selbst, als suche sich die hell leuchtende Seele darin ihren Weg in die Freiheit.
    Sam hatte eine Sonnenbrille auf, unter der jetzt eine einzelne Träne hervorlief und ihm über die Wange rann. Er spürte eine Hand auf seinem Rücken, die ihn mehr tröstete, als es Worte vermochten. Er sah zur Seite und betrachtete das hübsche Profil von Lina, ihre langen Wimpern, ihre vollen Lippen und ihren blassen Teint, der noch an die Strapazen der letzten Wochen erinnerte.
    Auf ein Wiedersehen in einem anderen Leben, mein Freund Argault, dachte Sam und wandte sich vom Sarg ab, der nun von den Sargträgern ins Grab herabgelassen wurde. Dann ging er Arm in Arm mit Lina den geschwungenen Kiesweg entlang.
    Â»Ich habe jetzt eine Antwort auf deine Frage.«
    Â»Auf welche Frage?«
    Â»Warum ich an Gott glaube. Weißt du, es ist nicht der Glaube an den Gott, es ist der Glaube an sich, an das Übernatürliche, der unserem Dasein einen Sinn gibt und der uns nicht selbstverantwortlich sein lässt für unser Schicksal, sondern die Verantwortung einer höheren Macht überlässt. Erinnerst du dich noch an unsere Nacht, als wir über Gott und die Welt geredet haben?«
    Â»Weniger an das als an …«, weiter kam er nicht, denn Lina kniff ihn kräftig in den Arm. »Du hast einmal gesagt, dass Gott ein Zauberer sein müsste, um die Welt in sieben Tagen erschaffen zu haben, wo ein Baum Jahre braucht, um zu wachsen. Hast du mal darüber nachgedacht, wie der Mensch Gott darstellt?«
    Â»Lass mich überlegen.« Sam machte eine Miene, als würde er angestrengt nachdenken. »Weißhaariger Mann mit langem Bart und ernstem Gesicht?«

    Â»Du bist doof.« Sie kniff ihn wieder in den Arm und lachte. »Aber jetzt mal im Ernst. Erinnert dich das nicht ein wenig an Merlin oder Gandalf, den Zauberer?«
    Sam blieb stehen und sah Lina an. »Weißt du, ich glaube, mit der Erklärung kann ich leben.«
    Dann griff er in die Luft, als würde er etwas fangen, öffnete langsam seine Hand und hielt sie Lina hin.
    Â»Hey, wo hast du den hergezaubert?«
    Â»Nenn mich einfach Merlin.« In Sams Hand lag der kleine silberne Engel, den er damals in ihrem Apartment gefunden hatte. Er nahm ihren Kopf in beide Hände und küsste
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