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Gottes Gehirn

Gottes Gehirn

Titel: Gottes Gehirn
Autoren: Jens Johler , Olaf-Axel Burow
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„Rubinowitz hat eine Prediger-Intelligenz“, sagte Jane. „Haben Sie das nicht eben gesagt?“
„Hübsche Formulierung, finden Sie nicht?“ Blake warf noch einen Blick auf den Robodoc und wandte sich dann Jane zu. Offenbar konnte er im Augenblick nichts mehr tun.
„Es geht nicht darum, ob die Formulierung hübsch ist oder nicht“, sagte Jane mit einem Ernst, der es auch Blake nicht mehr erlauben wurde, zynische Witze zu machen. „Es geht darum, dass Rubinowitz genau die Art von Intelligenz hat, die Syntopos noch fehlt, um ganz vollkommen zu sein. Rubinowitz hat Ihnen die Intelligenzarten der sechs Gehirne genannt, die bereits in Syntopos versammelt sind. Wissen Sie, was die siebte ist? Die sprachliche Intelligenz! Ich wusste es nicht, auch Rubinowitz wusste es wahrscheinlich nicht – aber Sie, Sie haben es eben gesagt! Eine Prediger-Intelligenz: Das ist die sprachliche Intelligenz. Wenn Rubinowitz’ Gehirn zu den sechs anderen hinzukommt, müssen wir alle sterben.“
„Ach ja? Was soll denn Ihrer Meinung nach passieren, wenn ich Rubinowitz’ Gehirn in Syntopos einfüge?“
„Die Dematerialisierung der Welt“, sagte Jane. „Die Welt wird sich auflösen und zu ihrem Ursprung zurückkehren.“
Blake wandte sich um und beobachtete aufmerksam die Kontrollinstrumente des Robodoc.
Troller und Jane saßen wie angewurzelt da. Die Ohnmacht war unerträglich.
„Er hat jetzt die richtige Temperatur“, sagte Blake.
„Bitte“, sagte Jane, „Sie dürfen es nicht tun.“
„Es muss sein“, sagte Blake. „Ich kann jetzt nicht mehr zurück. Diesmal führe ich das Projekt zu Ende.“
Eigentlich wollte Troller wegsehen, als der Robodoc mit seiner Arbeit begann, aber sein Blick wurde wie magisch davon angezogen. Rubinowitz’ Kopf war fixiert. Begleitet von einem feinen Surren der Instrumente wurde jetzt sein Schädel aufgesägt. Tatsächlich war kein Blut zu erkennen. Eine Art Saugglocke schob sich über Rubinowitz’ Kopf, hob das herausgetrennte Gehirn an und führte es zur Kugel, deren obere Hälfte sich automatisch öffnete. Das Ganze spielte sich unglaublich schnell und präzise ab.
Blake beobachtete den Vorgang aufmerksam. Auf seinem Gesicht war wieder dieses merkwürdige Glänzen zu sehen. Die Aura des Heiligen, des Entrückten.
„Ich werde es zu Ende führen“, sagte er noch einmal. Er drückte jetzt eine Reihe von Knöpfen. Der Schwenkarm fuhr mit einem kaum hörbaren Surren mehrmals hin und her, bis er die berechnete Position gefunden hatte, und Rubinowitz’ Gehirn wurde langsam, sehr langsam in die untere Hälfte der Kugel gesenkt. Dann fuhr der Schwenkarm wieder zurück, und die Kugel verschloss sich.
Blake betrachtete das Ganze noch einen Augenblick, und wandte sich dann Jane zu. „Na also“, sagte er und lächelte zufrieden, „unsere Welt ist noch da.“
In diesem Moment erloschen die Monitore. Blake riss den Kopf herum. Endlich, dachte Troller. Wahrscheinlich hatte die Polizei die Leitungen gekappt. Doch jetzt veränderte sich das Licht im Raum. Es war, als würden die Farben blasser. Der schwarz geflieste Fußboden wurde grau, Janes roter Pullover rosa. Trollers Herz schlug einen Moment rasend schnell und schien dann stillzustehen. Er hörte Janes Stimme.
„Troller, es passiert! Es passiert wirklich!“
Er wollte ihre Hand ergreifen, aber seine Arme waren ja gefesselt. Und doch – seine Hand wurde auf einmal eigentümlich leicht. Er spürte keinen Widerstand mehr. Jetzt waren schon so gut wie alle Farbtöne verschwunden, es gab fast nur noch Schattierungen von Weiß und Grau im Raum. Troller sah, wie Blake oder vielmehr ein durchsichtiger Schatten in der Gestalt von Blake mit erhobenen Händen im Raum umherirrte, dann auf einmal zu schweben begann, in die Kuppel des Raumes aufstieg und dort in einer Röhre oder einem Tunnel verschwand, der geradewegs nach oben führte.
Er legte den Kopf zurück. „Jane“, sagte er und wollte mit seiner Hand zur Decke zeigen, aber was war das? Er brauchte einige Sekunden, um zu begreifen, was mit ihm geschah. Wo war er, was sah er? Er sah Jane von oben, er musste jetzt auch in der Kuppel des Raumes sein. Es war unmöglich, aber es war so. Es gab keinen Zweifel. Keine Fessel, kein Gewicht, keine Schwerkraft hielt ihn zurück. Er war frei. Aber das ergab doch keinen Sinn! Was schwebte da? Sein Körper? Sein Gehirn? Sein Geist? Seine Seele?
Er kam nicht mehr dazu, darüber nachzudenken, denn nun zog ihn der lange schwarze Tunnel, der sich über der
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