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Gottes Gehirn

Gottes Gehirn

Titel: Gottes Gehirn
Autoren: Jens Johler , Olaf-Axel Burow
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silbernen Kugel geöffnet hatte, wie magisch in den Bann. An seinem Ende leuchtete ein winziger, gleißend heller Lichtpunkt, der ihn mit unwiderstehlicher Kraft anzog. Je näher er ihm kam, desto heller wurde das Licht.
Plötzlich bemerkte er eine Person am Ende des Tunnels. „Mein Kleiner, wie schön dich zu sehen!“ Es war seine Mutter, die ihm zuwinkte. Sie sah so hübsch und jugendlich aus, wie er sie von frühen Fotos her kannte. Und da war auch sein Vater: „Hallo, mein Junge! Wir haben schon auf dich gewartet.“ Troller fühlte sich wunderbar leicht. Glücksgefühle durchströmten ihn. Zugleich stürzten Tausende von Bildern wie im Zeitraffer auf ihn ein. Bilder, die ihm alle vertraut waren. Der kleine Junge, der dort mit dem Fahrrad fuhr, der Abiturient, der sein Reifezeugnis in Empfang nahm, der Liebhaber, der mit Maria durch die nächtlichen Straßen zog, der Ehemann, der der Geburt seines Kindes beiwohnte, der Vater, der mit Sarah im Zoo spazieren ging – das alles war er selbst! Und wieder sah er sich in seiner Kindheit und hörte die Stimme vom Ende des Tunnels: „Mein Kleiner, komm zu uns!“
Troller spürte, wie sein bewusstes Wollen einem süßen, ungekannten Sich-fallen-Lassen wich. Doch jetzt hörte er aus der anderen Richtung, vom Eingang des Tunnels her, eine Stimme, die ihm auch vertraut vorkam. Er musste alle seine Kräfte zusammennehmen, um sie zu verstehen.
„Troller, komm zurück. Komm zurück zu mir!“
Wessen Stimme war das?
Und wieder lockte die andere Stimme: „Mein Kleiner, da bist du ja. Komm doch. Alles ist so leicht hier, so leicht.“ Das Licht, aus dem diese Stimme kam, zog ihn mit unwiderstehlicher Kraft zum Ausgang des Tunnels.
„Komm zurück, Troller, bitte, komm zurück.“
Jetzt erkannte er die Stimme. Es war Jane, die da vom anderen Ende her rief. Aber die Anziehung durch das Licht war zu groß. Zu verlockend war es, sich ohne Anstrengung zum Tunnelausgang treiben zu lassen und sich der wunderbaren Leichtigkeit zu ergeben. Er spürte, wie alle Anspannung von ihm abfiel und ihn ein ungekanntes Gefühl des reinen, unverstellten Seins erfüllte. Das Leben war leicht, so unglaublich leicht. Und schön. Unglaublich schön. Aber er hörte immer noch dieses leise und merkwürdig angenehme Wispern, das vom Tunneleingang her kommen musste. In einer letzten, ungeheuren Anstrengung bemühte er sich, die Worte zu entschlüsseln, die wie eine süß klingende Melodie sein Ohr streichelten. Laut für Laut wiederholte er, was er vernahm. Und je mehr er in seiner Entschlüsselung voranschritt, desto klarer hörte er die Stimme: „Troller, ich liebe dich.“
Er spürte, wie er schwerer wurde. Die Leichtigkeit dieses neuen, ungekannten Seins trat in den Hintergrund, und darüber schob sich das bekannte, aber allzu selten verspürte Gefühl irdischen Glücks. Troller bemerkte, wie er sich vom Ende des Tunnels entfernte, wie die Stimme seiner Mutter leiser wurde. Je mehr er sich dem Tunneleingang näherte, desto mehr ließ die Faszination des gleißenden Lichtpunkts nach, desto stärker wuchs vor seinem inneren Auge das Bild Janes. Noch schwebte er, doch schon war er in den Raum zurückgekehrt, der jetzt fast ganz in ein einheitliches Weiß getaucht war. Nur noch schwach hoben sich die Konturen Janes und der Apparate ab.
„Der Knopf!“, rief Jane. „Du musst den Knopf drücken.“
Der Knopf? Welchen Knopf meinte sie?
„Drück den verdammten Knopf!“
Allmählich kehrte seine Erinnerung zurück. Der Geniepark. Das Gehirn. Syntopos. Blake.
Der rote Knopf. Wo war dieser verdammte Knopf? Troller schwebte auf ihn zu und versuchte ihn zu drücken. Doch womit? Seine Hand war fast durchsichtig, eine Schattenhand, materielos. Er wollte mit ihr den Knopf drücken, aber das blassrote Metall fuhr ungehindert durch sie hindurch.
„Ich liebe dich, Troller.“ Janes Stimme klang jetzt ganz nah. „Ich liebe dich.“
In diesem Moment spürte er, wie seine Kräfte wiederkehrten. Er versuchte noch einmal mit aller Macht, den Knopf zu drücken, und diesmal gelang es ihm. Es gab ein dumpfes Geräusch, einen Knall, der aus der silbernen Kugel zu kommen schien, und noch im selben Augenblick kehrten die Farben in die Welt zurück.
Gleich darauf erfolgte eine Detonation, Betonstücke flogen durch den Raum, und Sekunden später stand in den Trümmern der Eingangsschleuse Lieutenant Ross.
     
     

NACHWORT
    Die Arbeit an diesem Roman war für uns eine faszinierende Reise durch die Welt derjenigen
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