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Gottes Gehirn

Gottes Gehirn

Titel: Gottes Gehirn
Autoren: Jens Johler , Olaf-Axel Burow
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Terrasse lagen. Sie schnappte sich einen, lief zurück zum Fenster, holte aus und zertrümmerte mit einem einzigen Schlag die Scheibe.
    „John!“ Ihre Stimme war wieder da. Es war heiß im Wohnzimmer, beißender Qualm legte sich auf ihre Schleimhäute. Sie stürzte auf John zu, der bewusstlos dalag, fasste ihn unter die Achseln und schleifte ihn rückwärts aus dem Haus heraus, über die Terrasse, auf den Rasen.
    „John?“
    Sie nahm seine Hand und fühlte den Puls. Sie legte ihren Kopf auf seine Brust und horchte auf seinen Herzschlag. Sie kniete über ihm und versuchte, ihn wiederzubeleben.
    „John, John, bitte nicht, bitte nicht! Bitte, komm zurück! Komm zurück!“
Sie nahm seinen Kopf in beide Hände und hob ihn an. Der Schreck, der sie in diesem Moment durchfuhr, war furchtbar, unerträglich. Es war das Grauen.
    Der Kopf, den sie in ihren Händen hielt, war nicht bloß kalt, er war leicht. Auf der Stirn, direkt unter dem Ansatz der vollen, fast weißen Haare ihres Mannes, entdeckte Britta Eklund eine feine, blassrosa Naht, die wie eine exakt gezeichnete Linie um den ganzen Schädel herumlief.

DER ANRUF
    Troller schreckte aus seinen Gedanken hoch, als das Telefon klingelte. Er wollte sich eine Notiz machen, um nachher den Faden wieder zu finden, aber der Gedanke war schon nicht mehr da.
    Vor ein paar Minuten erst hatte ihn Weber angerufen, sein Kollege aus der Wirtschaftsredaktion. Hektisch und im Verschwörerton des Insiders hatte er ihm geraten, sofort Genimprove zu kaufen.
    „Notier dir die Wertpapier-Kennnummer. Die arbeiten an Stammzellen, Telomeren und Klontechnologie.“ Und in einem noch konspirativeren Ton hatte er das Wort Organzüchtung in die Leitung gehaucht, als könne er damit verhindern, dass Lauscher von diesem Geheimtipp erführen.
    „In den nächsten Tagen beginnt eine grandiose Rally.“
    Troller hatte ihn abzuwimmeln versucht, aber Weber war hartnäckig geblieben. „Kauf jetzt. In zwei Stunden kann es zu spät sein. Solche Gelegenheiten verbreiten sich wie ein Lauffeuer im Netz. Kauf jetzt. Das ist die Chance.“
    Dieser Weber war eine Nervensäge, auch wenn Troller zugeben musste, dass er durch seine Tipps schon einen Haufen Geld hätte verdienen können. Wenn er nur auf ihn gehört hätte. Stattdessen hatte er immer wieder selbst irgendwelche Werte ausgesucht. Er verstand, das musste Troller langsam einsehen, eine Menge von Wissenschaft und Journalismus, aber in Gelddingen war er eine ziemliche Pfeife. Trotzdem hatte er Weber gefragt: „Was hältst du eigentlich von Brain Inc.?“
    „Brain Inc.?“
„Künstliche Intelligenz. Und Robotik. Die sind gerade dabei, einen Haushaltsroboter serienreif zu machen. Das wird ein Wahnsinnsmarkt.“
    „Vergiss es“, hatte Weber gesagt.
    „In den nächsten zwei Jahren spielt die Musik in der Biotechnologie.“
Troller ahnte, dass Weber recht hatte. Aber vielleicht konnte er doch mit Brain Inc. einen Überraschungserfolg landen. Nur um Weber eins auszuwischen, hatte er auch noch für zehntausend Euro Brain Inc. geordert.
Und nun klingelte das Telefon schon wieder.
Troller wusste, dass es Maria war. Sie hatte ihm schon gestern auf den Anrufbeantworter gesprochen – er solle verdammt noch mal ans Telefon gehen, sie wisse doch, dass er da sei und wieder über seinem Scheißbuch hocke, geh endlich ran, ich hab mit dir zu reden.
    Sie hatte ihm unrecht getan, er war wirklich nicht zu Hause gewesen, er hatte bis abends um halb neun in der Redaktion zu tun gehabt, und als er zu Hause den Anrufbeantworter abgehört und versucht hatte, sie zu erreichen, war sie nicht da gewesen.
Aber er wusste auch so, was sie wollte. Dabei lag er mit seinen Unterhaltszahlungen weit über dem festgelegten Satz. Warum ging sie nicht wieder arbeiten? Sie konnte doch auch mal etwas tun. Stattdessen spielte sie die Löwenmutter, alles für Sarah, und presste ihn nach Strich und Faden aus.
Er hätte sie nicht heiraten dürfen. Niemals. Es war ein Fehler gewesen, eine Riesendummheit.
Nur das mit Sarah war keine Dummheit gewesen. Troller liebte seine Tochter, er war stolz auf sie. Mit ihren fünf Jahren war sie das einzige weibliche Wesen, das ihn verstand. Sonst hatte er kein Glück mit den Frauen. Er hatte noch niemals eine Frau getroffen, die es nicht darauf abgesehen hatte, ihn von seiner Arbeit abzuhalten.
    „Du hörst mir nie zu“, hatte Maria ihm immer wieder vorgeworfen, „du interessierst dich nur für deine Arbeit.“
Das stimmte nicht, er interessierte sich
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