Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gottes blutiger Himmel

Gottes blutiger Himmel

Titel: Gottes blutiger Himmel
Autoren: Fawwaz Hahhad
Vom Netzwerk:
auf der Erde. Über manche von ihnen fuhren nun die Militärfahrzeuge und zerquetschten sie. Marines hatten die Moschee übernommen, und Schützen feuerten vom Minarett, andere Soldaten drückten sich an Häuserwände, bereit, über die Straße zu huschen. Auf der gegenüberliegenden Seite stand ein weiterer Soldat, das Auge am Zielfernrohr seines Gewehrs, und gab seinen Kameraden Feuerschutz. Diese rannten auf mich zu.
    Kugeln pfiffen mir um die Ohren, ich spürte ein Stechen in meiner rechten Hand und im linken Fuß, meine sämtlichen Organe schmerzten, ich atmete Schmerz, in mir brannte es. Ich war getroffen, hoffentlich tödlich, gerne wollte ich mein widerwärtiges, nichtswürdiges Leben aushauchen. Die Marines kamen auf mich zu, ihre Gewehrmündungen auf mich gerichtet, sie sahen aus wie Geister, aber sie waren echt. Das Schießen hörte nicht auf. Ich lief ihnen entgegen, ich wandte all meine verbliebenen Kräfte auf, um zu sterben, und wartete auf einen Gnadenschuss oder eine Granate, die Erbarmen hätte und mich träfe.
    Bildete ich mir das ein, oder war es Wirklichkeit? Jonathanerschien im Staubnebel, ich fiel wenige Schritte von ihm entfernt zu Boden, er kam zu mir und hob mich mit anderen Soldaten zusammen auf eine Trage. Alles um mich herum wurde still, und ich verlor das Bewusstsein.
17
    Im Krankenhaus sah ich wieder Jonathans Gesicht, diesmal ohne Staub und Rauch. Ich wurde in den Operationssaal gebracht, Jonathan begleitete mich. Er beruhigte mich, mein Zustand sei nicht schlimm, aber die Furcht, die ich in seinem Gesicht sah, veranlasste mich nicht, anzunehmen, ich würde überleben. Bevor ich starb, wollte ich noch erfahren, was aus Miller geworden war. Hatte er überlebt? Jonathan antwortete zuerst nicht. »Hat er Selbstmord begangen, oder wurde er umgebracht?«, fragte ich ihn. »Auch wir begehen Selbstmord«, flüsterte mir Jonathan ins Ohr. Mittlerweile sei Miller in Kalifornien beigesetzt worden.
    Ich wusste nicht genau, was Miller vorgehabt und warum er sich das Leben genommen hatte. Ich wusste lediglich, dass er in guter Absicht gehandelt hatte, auch wenn diese von Einbildung getrübt war und er manchen Fehler gemacht hatte. Für gute Ideen zahlt man oft einen hohen Preis, und Miller hatte es nicht ertragen, zu unterliegen. Er hätte sonst alles verloren, wofür er gearbeitet hatte. Jonathan meinte missbilligend, Miller sei für eine Idee gestorben. Selbst für eine gute Sache sei es falsch, sich selbst zu opfern. Ich war nicht in der Lage, mit ihm zu diskutieren. Ich drückte lediglich meine aufrichtige Trauer aus, indem ich sagte: »Ich habe einen lieben Freund verloren.«
    Still nahm ich Abschied von Miller und wünschte, ich könnte selbst durch einen sanften Tod erlöst werden. Ichstellte keine weiteren Fragen, um nicht von Samers Ende zu erfahren, bevor ich aus dem Leben schied.
    Schließlich überlebte ich doch, aber ich konnte meine Rückkehr ins Leben nur als eine Rückkehr in den Schrecken begreifen. Daher lag mir nichts daran, die Geschichte meiner Entführung und meiner Rettung zu erfahren. Jonathan berichtete mir jedoch, dass Miller noch einmal kurz zu sich gekommen sei, bevor er gestorben war. Er hatte Jonathan bestätigt, dass er selbst Hand an sich gelegt hatte, und ihm die Verantwortung für mich übertragen. Jonathan wollte nur ungern aus Bagdad hinausfahren und bat seinen Vorgesetzten, den Irak verlassen zu dürfen, wenn er die Mission in meiner Sache beendet hätte. Aber Miller hatte mir zugesichert, für meine Rückkehr nach Syrien zu sorgen, und diese Aufgabe war nun auf Jonathan übergegangen.
    Es kam ihm zugute, dass die Jagd auf al-Qaida in vollem Gange war, und da die Amerikaner nun einmal az-Zarqawi auf der Spur waren, war es denkbar, dass sie auch Samer finden würden und dass ich bei ihm wäre. Jonathan begleitete daher die Suchtrupps, welche ihre letzte Razzia ohne vorherige Absicherung durchführten. Sie stürmten das Dorf, das wie das Lager unter der Kontrolle von al-Qaida stand, weswegen der Angriff gemäß den neuen Kampfregeln erfolgte, nach denen solches Territorium uneingeschränkte Feuerfrei-Zone war, in der jede Person, Frau oder Mann, jung oder alt, bewaffnet oder nicht, als feindlich angesehen wurde. Insofern war die Bombardierung und Erstürmung des Lagers nicht nur ein Angriff, sondern eine Vernichtungsaktion gewesen, in der nur Leichen und verbrannte Erde hinterlassen werden sollten. Es war allein Jonathan zu verdanken gewesen, dass man nicht auch
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher