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Gottes blutiger Himmel

Gottes blutiger Himmel

Titel: Gottes blutiger Himmel
Autoren: Fawwaz Hahhad
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Polizisten, der sich den Resten des Attentäters näherte. Er zeigte auf einen unförmigen Haufen aus Schrott und Fetzen, den die Kamera heranzoomte. Fleisch, Metall, Stoff und ein Teil eines Gürtels lagen da, und jetzt erkannte ich ihn. Es waren die Überreste von Hazem. Der Marokkaner rief: »Abu Ubada!«
    Alle blickten verwundert zu Samer und warteten auf eine Erklärung. Der Tunesier sagte: »Wir haben ihn nicht verabschiedet.«
    Samer schaute seine Kameraden nicht an. Er wandte sich zu mir und sagte, als sei dies eine Mitteilung an mich: »Ich habe vor zwei Tagen bemerkt, dass Abu Ubada zögerlich und ängstlich war. Gestern bat er mich, ihn mit keiner Aktion zu betrauen. Ich versprach, ihm ein Auto zu besorgen, das ihn zur Grenze nach Syrien brächte, denn da wollte er hin. Aber letzte Nacht kam er zu mir und bat um eine erneute Unterredung. Ich riet ihm, lieber den Kampf für die Sache Gottes zu führen, sonst würde er es später bereuen, die Gelegenheit, als Märtyrer zu sterben, verpasst zu haben. Heute Morgen brach er seelenfroh und entschlossen auf.«
    »Aber er hat niemanden getötet«, wandte der Tunesier ein. »Er hat die Menschen aufgefordert, sich fernzuhalten!«
    »Dieser angebliche Augenzeuge war ein Polizeispitzel«, erklärte Samer. »Sie wollen den Leuten weismachen, er habesich im letzten Moment anders entschieden oder sei zu seiner Aktion gezwungen worden. Ihr wisst ja, welche Propaganda sie verbreiten.«
    »Aber es gab nicht einmal Verletzte«, wunderte sich der Marokkaner.
    »Vielleicht ist sein Gürtel versehentlich vorzeitig hochgegangen«, mutmaßte Samer, nun wieder an seine Leute gewandt, denn mich konnte er damit nicht überzeugen. Samer allein trug die Verantwortung für diese Tat, sollte er Hazem nun überredet oder ihn gezwungen haben. Hazem hatte nicht zufällig Angst davor gehabt, Samers Einfluss zu unterliegen. Abdallah der Syrer konnte andere so für sich einnehmen, dass es nicht weniger als Zwang war, wenn auch unter dem Vorwand des Dienstes am Dschihad. Aber Hazem hatte mich nicht angelogen. Er war entschlossen gewesen, keinen Menschen zu töten, und dieser Entscheidung war er treu geblieben, selbst als er den Auslöser betätigt hatte.
    Ich wusste, wie deprimierend dies für Samer sein musste. Ich war der Einzige, der um seine Schlappe wusste, und was passiert war, hatte auch mit mir zu tun. Dass ich gewonnen hatte, schmerzte Samer, aber für mich war dieser Erfolg teuer erkauft. Ich hatte Hazem verloren, der mir in meiner Bedrängnis Beistand geleistet hatte und der mich, wenn auch unwissentlich, unterstützt hatte, während ich ihm nichts hatte bieten können.
    Samers Gesicht verfinsterte sich, und Beklommenheit lastete auf der Runde im Gästehaus. Ich beschloss zu gehen, aber bevor ich mich erhob, beugte ich mich zu Samer und flüsterte ihm ins Ohr: »Du lügst. Du hast ihn umgebracht.«
    Von wegen gewonnen. Ich war der eigentliche Verlierer und Unterlegene. Mein Sohn war nicht mehr nur das Gegenteil von mir, er war mein Feind.
16
    Samer lief mir kurz darauf nach. Ich hörte ihn näher kommen und beschleunigte meinen Schritt. Ich war schon fast im benachbarten Dorf, als er mich einholte und sagte: »Wäre uns nicht die Ehrung unserer Eltern aufgegeben, müsste ich dich bestrafen.«
    Spöttisch fragte ich: »Wofür müsstest du mich denn bestrafen?«
    »Für deinen Abfall vom Glauben.«
    »Du brauchst dich weder auf die Elternehrung zu berufen, noch musst du mir mit Strafen für Unglauben kommen. Ich misstraue solchen Begrifflichkeiten. Aber freue dich nicht zu früh. Ich werde mich nicht zum Atheismus bekennen, weil ich mich nicht dafür opfern möchte. Warum sollte ich Gott überhaupt lästern? Ich habe gar keinen Grund dazu, egal ob er nun ein einziger, ein dreifaltiger oder überhaupt nicht da ist. Aber falls du noch schwerwiegendere Vorwürfe gegen mich hast, nur zu, dann töte mich doch, du braver Sohn.«
    »Gott verzeiht dem nicht, der seinen Vater tötet.«
    Der verhinderte Märtyrer mit der verkrüppelten Hand tauchte auf und unterbrach unser Gespräch. Er machte ein trauriges Gesicht, und Samer wusste sofort, was er von ihm wollte. Er ließ ihn nicht zu Wort kommen, schickte ihn mit einer Handbewegung fort und vertröstete ihn auf den Abend. Der unerwünschte Freiwillige ging Richtung Dorf. In der Ferne lief eine Herde Ziegen einem Hirten hinterher, der am Rand des Ortes entlang Richtung Kanal schritt.
    Samer sprach nicht weiter, obwohl er mir eigentlich etwas
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