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Gott und die Staatlichen Eisenbahnen

Gott und die Staatlichen Eisenbahnen

Titel: Gott und die Staatlichen Eisenbahnen
Autoren: Peter Ustinov
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italienischen Dienstmädchen, das beim Bankier oben arbeitet.«
    »Ja?«
    »Das ist nicht die Uhr, die sie wollte.«
    »Wie weißt du das?«
    »Sie hat meiner Frau geschrieben. Sie will eine ohne Wecker. Unter uns gesagt, ich finde, sie spinnt. Es ist doch eine schöne Uhr. Ich hätte nichts dagegen, solch eine Uhr zu besitzen.«
    »Solch eine Uhr könntest du dir niemals leisten!« Da war irgend etwas in Knüsperlis Tonfall, was Demoruz wütend machte, doch dies war nicht neu für ihn. »Was ich mir leisten kann und was nicht, geht dich überhaupt nichts an«, erwiderte er. »Und sei versichert, falls du eines Tages eine solche Uhr an meinem Handgelenk siehst, wird sie nicht bei dir gekauft sein.«
    »Was will die Italienerin von mir?«
    »Habe ich doch gesagt. Bist du taub, oder wie? Sie will die Uhr umtauschen, gegen eine ohne Wecker.«
    »Eine billigere?«
    »Sie will die Differenz bezahlen, sagt sie in ihrem Brief. Aber sie meint, eine ohne Wecker müsse weniger kosten.«
    »Das ist nicht unbedingt der Fall«, sagte Knüsperli kopfschüttelnd. »Ganz und gar nicht. Diese weißgoldene Vacherin hier, zum Beispiel, flach wie ein Keks, hat keinen Wecker, nicht mal ein Datum, und doch kostet sie etwa das Zwanzigfache dessen, was eine Zona Wakemaster kosten würde. Das ist eine ganz andere Klasse von Uhr.«
    »Ich will dir nicht widersprechen«, meinte Demoruz verschmitzt. »Aber ein italienisches Dienstmädchen wird sich nicht so in Unkosten stürzen wollen, oder wie? Und außerdem«, fügte er mit großzügiger Bosheit hinzu, »hast du die wirklich guten Uhren gar nicht am Lager, oder wie?«
    »Ich brauche nur ein Telegramm an eine der großen Fabriken zu schicken, und sofort habe ich jede Uhr, die hier im Katalog steht, schon morgen früh«, bellte Knüsperli wütend. »Ich will dir ja gerne glauben«, antwortete Demoruz mit spöttischem Lächeln. »Aber du hast sie gewiß nicht am Lager, oder wie? Das italienische Dienstmädchen könnte doch nicht, weißt du, hier in den Laden kommen und sagen: >Geben Sie mir diese Vacherin, diese Piaget aus dem Fenster dort.< Könnte sie doch nicht, oder wie?«
    »Doch, das könnte sie, wenn ich ihr die Kataloge vorlege. Doch, das könnte sie.«
    »Aber sie hat es nicht getan, oder wie? Ich meine, du hast es nicht getan, oder hast du doch? Ihr die Kataloge gezeigt, meine ich.«
    »Worauf willst du hinaus?« fragte Knüsperli kühl. Ein wilder Ausdruck verletzter Unschuld loderte auf Demoruz’ Gesicht.
    »Ich? Worauf ich hinauswill? Ich mache einfach Konversation!«
    Knüsperli runzelte die Stirn, und es entstand eine lange Pause.
    »Weißt du, was sie gemacht hat?« fragte Demoruz plötzlich in kleinlichem und moralisierendem Ton. »Wer?«
    »Das italienische Dienstmädchen.«
    »Nein.«
    »Sie hat die Uhr in einem gewöhnlichen Briefumschlag geschickt – ohne Einschreiben, meine ich – und darauf geschrieben: >Muster ohne Wert<.« Ungläubig pfiff Knüsperli durch die Zähne. »Hier habe ich den Umschlag! Ich habe ihn mitgebracht«, rief Demoruz und zog das Beweisstück aus der Tasche. Knüsperli strich den Umschlag glatt, dann blickte er auf – mit einem ebenso kleinlichen und säuerlichen Gesichtsausdruck wie vorhin Demoruz.
    »Ha, das ist ein Versuch, den Schweizer Zoll zu beschwindeln«, sagte er. »Das ist ein Kriminaldelikt!«
    »Wäre das Päckchen geöffnet worden, meine ich, dann hätte es mindestens eine Beschlagnahmung gesetzt.«
    »Oder eine Buße«, fügte Demoruz hinzu, »oder sogar Gefängnis. Die Behörden sind streng heutzutage. Vielleicht sogar alle drei Strafen gleichzeitig. So etwas ist Edith passiert, der Schwester meiner Frau. Sie kriegte alle drei gleichzeitig aufgebrummt. War überhaupt das erste Mal, daß jemand im Kanton alle drei Strafen gleichzeitig kriegte. Und sie ist immerhin eine Frau, da kann man nie wissen. Außerdem steht hier dein Name auf dem Umschlag, siehst du? So wurde auch die Schwester meiner Frau ertappt. Sie hat Sachen geklaut, aus den Geschäften. Ertappt wurde sie durch den Namen eines Geschäfts auf der Einkaufstüte. Solche Dinge sprechen sich doch herum. Ich meine, sie werden aufgebauscht. Es fängt damit an, daß jemand eine Uhr schmuggelt, die in deinem Geschäft gekauft wurde – und am Ende, bis das Gerücht die Runde gemacht hat, bist du es, der die Uhren in deinen Laden schmuggelt.«
    »Ich werde dir etwas sagen«, meinte Knüsperli, nachdem er ein Weilchen über diese traurigen Wahrheiten nachgedacht hatte. »Ich nehme
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