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Gott-Poker (German Edition)

Gott-Poker (German Edition)

Titel: Gott-Poker (German Edition)
Autoren: Nora Scholz
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abermals leise gerufen und den Tonfall eines Käuzchens nachzumachen versucht. Klara musste lachen und hatte sich hastig eine Jeans und ihre gestreifte Kapuzenjacke übergezogen, einige Sachen in eine Tasche geworfen, im Mondlicht vor dem Spiegel ein Tuch um ihren kahlen Kopf gebunden und war nach nebenan geschlichen, wo ihr Großvater in seinem Bett lag und schwer atmete. Sie hatte sich zu ihm hinuntergebeugt und wollte ihm einen Kuss auf die Stirn geben, doch in diesem Moment hatte er im Schlaf tief aufgeseufzt und sich zur Seite geworfen, wobei er Klara mit dem Arm hart ins Gesicht geschlagen hatte. Der Schmerz trieb Klara die Tränen in die Augen, und sie war wütend und benommen aus dem Zimmer des Großvaters hinausgestolpert, hinüber zu den Räumen auf der anderen Seite des Flurs, wo die Großmutter in ihrem großen Himmelbett lag und schlief. Klara hatte sich neben ihrem Kopf, von dem in der Dunkelheit des Zimmers nur die dünnen, weißen Haare zu sehen waren, auf den Boden gekauert und mit der Hand über ihre Schulter gestrichen. Die Großmutter war aufgewacht. »Mädchen, was ist denn passiert?« hatte sie gefragt, und Klara, immer noch mit Tränen des Schmerzes vom Schlag des Großvaters in den Augen, hatte geantwortet, »Großmutter, ich muss gehen.« Die Großmutter hatte genickt, sie hatte völlig vergessen, dass man Kopfnicken im Dunkeln nicht sehen kann, aber Klara hatte es trotzdem gesehen, weil das Haar der Großmutter so weiß war. Die richtete sich auf, knipste die Nachttischlampe an und tapste im Nachthemd hinüber zum Sekretär. Sie nahm eine Karte aus dem obersten Fach und reichte sie Klara. »Hier, mein Mädchen«, sagte sie, »du musst dir keine Sorgen machen.« Klara umarmte die Großmutter, steckte die Kreditkarte, die auf ihren Namen ausgestellt war, ein und wandte sich zur Tür. Die Großmutter hielt sie zurück. »Deine Tabletten«, sagte sie, »habe ich«, sagte Klara, »Nein«, sagte die Großmutter, »du musst sie nicht nehmen. Nimm sie nicht mehr. Wirf sie weg. Du bist nicht krank.«
    »Ich bin nicht krank? Warum - «
    Die Großmutter legte ihre Arme um Klaras Schultern und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Sie musste sich dazu auf die Zehenspitzen stellen.
    »Die Sehnsucht ?«
    Die Großmutter nickte. Klara sah sie da stehen, zum ersten Mal betrachtete sie ihre Großmutter als Mensch, als Frau, die alt geworden war aber auch einmal jung gewesen sein musste, so wie sie jetzt, sie stand da auf ihren dünnen Beinchen, im Schein der Nachttischlampe, mit bloßen Füßen auf den alten Dielen, die faltige Haut, das Nachthemd, die bebe nde Brust unter dem Stoff, die schütteren weißen Haare.
    »Und meine Haare?«, fragte Klara, »warum wac hsen sie nicht?«
    »Du musst leben«, sagte die Großmutter, »wenn du anfängst zu leben, werden auch die Haare wac hsen, und jetzt geh, Klara, schnell, mein Mädchen, geh endlich weg.« Sie machte mit den Händen eine Bewegung, als würde sie Fliegen verscheuchen. Klara schüttelte den Kopf.
    »Du spinnst doch.« Sie verstand nicht, doch sie nahm ihre Tasche, in die sie nur eine einzige rosarote Stoffkatze und einige Bücher gepackt hatte, ging die Treppe hinunter und zur Haustür hinaus. Der Garten lag im Mondschein, der See glitzerte und schlug leise Wellen gegen den Bootssteg. Aus dem Hühner- und Entenverschlag war ein leises Gurren und Scharren zu vernehmen. Karl stand mit seiner schwarzen Lederjacke über dem Arm an einen Pfeiler der Terrasse gelehnt und rauchte. Als Klara in Reichweite war, legte er den Arm um ihren Nacken und zog sie zu sich heran.
    » Wie bist du hier hereingekommen?«, fragte Klara leise, und Karl machte eine unbestimmte Kopfbewegung. Er blies Rauch aus. »Übers Tor geklettert«, sagte er und trat die Zigarette auf dem Steinboden aus. »Komm endlich. Maria wartet draußen. Uns ist langweilig. Wir hauen ab.«
     
     
     
     
    Eines kalten Wintermorgens , als Klara die Wohnungstür öffnete, stand ein Weidenkorb mit einer Decke darin vor der Tür. Erstaunt nahm sie den Korb mit in die Küche und zeigte ihn Karl. »Sieh nur, was wir bekommen haben«, sagte sie und nahm vorsichtig die kleine weiße Katze heraus, die schlafend in die Decke gewickelt war. Karl brummte. »Woher kommt das?« fragte er. »Keine Ahnung«, sagte Klara, »aber sieh nur mal wie weiß und weich sie ist!«
    Klara streichelte die Katze, die die Augen au fschlug und sich zutraulich in ihre Hand kuschelte. Klara griff einen Unterteller aus dem Regal und
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