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Gott-Poker (German Edition)

Gott-Poker (German Edition)

Titel: Gott-Poker (German Edition)
Autoren: Nora Scholz
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mich um und sah Maria draußen am Gartenzaun lehnen. Sie musste schon eine ganze Weile da gestanden und gepfiffen haben. Sie blickte verträumt auf den Brunnen und bemerkte mich nicht, oder zumindest tat sie so, als bemerke sie mich nicht. Ich versteckte mich hinter den Rosen und schlich mich näher zu ihr heran. Im Schutz der Sträucher schlich ich mich an, bis ich fast direkt vor ihr stand. Dann richtete ich mich auf. Sie schien nicht im Mindesten erschreckt. Sie hörte auf zu pfeifen.
    ›Ich bin Maria‹, sagte sie mit tiefer Stimme. ›Sei gegrüßt.‹ Ich kicherte. ›Sei gegrüßt. Du klingst wie mein Großvater.‹
     
    ›Soll ich dich hereinlassen?‹ fragte ich sie. ›Ja‹, sa gte sie, ›mach das Tor auf.‹ Ich lief zum Tor und mühte mich mit den schweren Eisengriffen. Maria war um den Zaun herumgelaufen. Sie war ein bisschen größer als ich. Endlich hatte ich das Tor ein Stück weit aufbekommen, und sie zwängte sich in den Garten. Gemeinsam schoben wir das gusseiserne Tor wieder ins Schloss. Wir standen uns gegenüber.
    Ich streckte ihr die Hand hin. ›Ich bin Klara‹, sa gte ich.
    Maria nahm meine Hand und schüttelte sie. ›Ich weiß‹, sagte sie ernsthaft. ›Wir sind gestern drüben eingezogen.‹ Sie wies mit einem Kopfnicken in Ric htung des Nachbarhauses, das in einem ähnlich großen Grundstück wie dem unseren stand und hinter den hohen Bäumen nicht zu sehen war.
    ›Deine Großmutter kam gestern Abend zu uns herüber‹, sagte sie. ›Sie sagte, du seist krank?‹
    ›Krank?‹ Ich schüttelte den Kopf. ›Ich bin nicht krank.‹
    ›Was ist mit deinen Haaren?‹ Ich zuckte die Schu ltern und sah weg.
    ›Keine Ahnung, sie wachsen nicht.‹
    ›Los‹, sagte Maria und packte mich an der Hand, ›zeigst du mir eure Enten? Deine Großmutter hat von euren Enten erzählt.‹
    ›Ja‹, sagte ich lahm und ging voraus.
    Wir hatten vier Enten in einem kleinen Stall, in dem sie gemeinsam mit vier Hühnern und einem Hahn wohnten. Die Hühner legten jeden Tag drei Eier. Als wir den Stall erreichten, schnatterten die Enten mit einem Mordsgetöse an uns vorbei und verschwanden quakend in einem Wassertumult auf dem See.
    Ich zuckte die Schultern. ›Lass uns nachsehen, ob die Eier schon fertig sind‹, sagte ich und öffnete die Tür zum Stall. Wir traten ein. Maria hielt sich die Nase zu.
    ›Wie das stinkt!‹ rief sie.
    ›Das ist normal‹, sagte ich. ›Sie mögen es so. Sieh mal hier, sagte ich, die Eier. Willst du sie nehmen?‹
    Maria ließ ihre Nase los und nahm vorsichtig ein Ei in die Hand. ›Es ist ganz warm‹, sagte sie und schloss ihre Finger darum.
    ›Ganz frisch‹, sagte ich und nahm die anderen beiden Eier.
     
    Wir brachten die Eier ins Haus. Noch nie zuvor hatte ich Besuch gehabt. Rosie machte uns heiße Schokolade. Wir saßen im Esszimmer an der Tafel und schlürften Schokolade. Maria schlug mit ihren flachen schwarzen Schuhen, in denen sie weiße Söckchen trug, an die Stuhlbeine.
    ›Willst du meinen Großvater kennen lernen?‹
    Maria nickte. Wir sprangen auf und rannten die Treppe hinauf.
    Großvaters Zimmer lag am Ende des Flurs, und zaghaft klopfte ich an.
    ›Herein!‹, brüllte mein Großvater. Ich öffnete die Tür und lugte ins Zimmer, um zu sehen, wie es ihm ging und ob er angezogen wäre. Er saß im Pyjama im Sessel am Kaminfeuer und las. Seine Pantoffeln hatte er von den Füßen geschleudert. Sie lagen mi tten im Zimmer herum. Nirgendwo im Haus war es so gemütlich wie bei ihm.
    ›Nur herein, mein Mädchen!‹, schrie er. Ich schob Maria ins Zimmer.
    ›Großvater, das ist Maria‹, sagte ich. ›Sie sind drüben eingezogen.‹
    ›Willkommen, Willkommen‹, rief mein Großvater. ›Nehmt Platz.‹ Er wies auf die Polster, die vor dem Kamin lagen.
     
    Maria ging zur Wand. ›Haben Sie all die Schme tterlinge getötet?‹ fragte sie. Wieder fiel mir auf, wie tief ihre Stimme klang. Mein Großvater brummte.
    ›Sie sind schön, nicht?‹
    Maria drehte sich zu uns um. Sie sah aus, als wollte sie etwas Unverschämtes sagen, machte dann aber den Mund zu und setzte sich neben mich auf die Polster.
    ›Töten Sie alles, was Sie schön finden?‹
    Mein Großvater lachte. Er nahm seine Pfeife und stopfte sie umständlich. ›Klara, mein Mädchen, sei so gut und gib mir einen Span‹, sagte er. Ich brach einen dünnen Span von einem der Holzscheite, die neben dem Kamin aufgestapelt waren und hielt ihn ins Feuer, bis er brannte. Dann stand ich auf und zündete meinem
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