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Gott ist tot

Titel: Gott ist tot
Autoren: Ronald F Currie
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danach jeden Morgen beim Aufwachen Tränengas. Ein Drittel aller Häuser in Ihrem Block wird abgefackelt.

    Und jetzt stellen Sie sich vor, Ihre Mutter, die von da, wo sie herkommt, viel Schlimmeres gewohnt ist und sich vielleicht nicht so sorgt, wie sie sollte, schickt Sie zum Einkaufen. Sie schickt Sie zusammen mit einem größeren Jungen los, Keith, der im selben Haus wie Sie wohnt. Keith ist vierzehn, und er soll ein Auge auf Sie haben. Nur sind da, wo der Laden gestanden hat, nichts als verkohlte Mauerreste, so dass ihr sechzehn Blocks weiter nach Norden laufen müsst, bis zu Cab’s Grocery. Auf dem Rückweg werden die Milch und die Orangen immer schwerer, und Keith schlägt eine Abkürzung vor. Also biegt ihr in einen Durchgang zwischen zwei Häusern ein, und Keith zeigt dir den Maschendrahtzaun, über den du klettern sollst, damit er dir die Tüten rüberreichen kann und ihr durch den Hinterhof abkürzen könnt, aber du bist noch nicht mal halb oben, da packt dich ein Cop am Hosenboden und pflückt dich runter.
    Der Cop donnert dich auf den Asphalt und setzt dir den Stiefel in den Nacken. Du riechst Dreck und Nerzöl. Kleine Steinchen graben sich dir in die Schläfe. Du versuchst den Kopf zu drehen, aber der Stiefel drückt noch fester zu, und der Bulle sagt: Immer sachte, Bürschchen .
    Ein zweiter Cop hat sich Keith vorgeknöpft. Was führt ihr kleinen Scheißnigger im Schild? Hier einbrechen, oder was? Und Keith, der andauernd Prügel bezieht, weil seine Klappe so viel größer ist als seine Fäuste, sagt: Verpisst euch. Dann hörst du ein Geräusch, als würde jemand mit einem Baseballschläger auf eine Rinderhälfte dreschen, noch mal und noch mal und noch mal, und Keith schreit erst und heult dann und ist dann still.
    Fuck , sagt der Cop mit dem Stiefel in deinem Nacken.
    Du wirst auf die Füße gezerrt und mit dem Gesicht voran gegen den Drahtzaun gedrückt. Der zweite Cop drängt sich
von hinten an dich. Du spürst, wie er zittert. Er hakt die Finger durch die Drahtmaschen und beugt sich ganz nah an dich ran und flüstert dir ins Ohr: Kein Wort zu irgendwem, Nigger-Ratte. Sein Atem schlägt heiß und feucht an deine Backe und stinkt nach Zwiebeln.
    Sie lassen dich laufen. Du rennst den ganzen Weg bis nach Hause, und deine Mutter will von dir wissen, was mit dir los ist, wo Keith steckt, wo die Einkäufe sind. Aber du sagst nichts. Dein Vater kommt von der Arbeit heim und stellt dir die gleichen Fragen noch mal, und du sagst nichts. Ein paar Tage später kommen die Bullen und sitzen bei euch am Küchentisch und trinken den Kaffee, den deine Mutter ihnen bringt, und fragen dasselbe, aber ihre Stimmen kommen dir entsetzlich bekannt vor, und du sagst nichts.
    Du bewahrst dein Geheimnis dein Leben lang. Du hütest es so gut, dass es dir nach einer Weile so vorkommt, als wäre es überhaupt nie passiert, als wäre es eine Geschichte, die irgendwer dir erzählt hat, oder vielleicht auch nur ein Traum.
    Ein halbes Jahrhundert später bist du auf diplomatischer Mission in den Senegal unterwegs, ein Nachtflug, und du kannst nicht schlafen. Du siehst dir einen Film an. Der Film führt dir vor Augen, wie wenig sich letztlich doch verändert hat, auch wenn du der mächtigste Schwarze in der Geschichte der mächtigsten Nation der Erde bist. Du hast jahrelang nicht mehr an Keith gedacht, aber jetzt fällt er dir ein, und plötzlich ist alles wieder da, so klar und deutlich, als wäre es gestern gewesen - das matschige Geräusch des Schlagstocks auf Keiths Schädel, der Geruch zerquetschter Orangen auf dem heißen Asphalt. Es ist wirklich passiert. Es war kein Traum.
    Und dann fällt dir auf, dass du der einzige Schwarze im ganzen Flugzeug bist.«
    Pause.

    »Wie würden Sie sich da fühlen? Wie würden Sie reden? Wie würden Sie sich verhalten, Sie verpimpelter, großkotziger Welt-Polizeichef?«
    Pause.
    »Rein hypothetisch gesprochen?«
     
    Ein Konvoi aus fünf Militärjeeps und einem nagelneuen Range Rover brauste mittags ins Lager, dass der Staub nur so wallte und die Kinder in alle Richtungen stoben. Powell wartete, bis die Prozession zackig vor dem Konferenzzelt zum Stehen kam. Finster blickende Männer in schmutzigen Tarnanzügen sprangen aus den Jeeps, Schnellfeuergewehre in den Händen. Aus dem Range Rover stieg Ismail, gefolgt von seinem Adjutanten (dessen rechter Unterarm in einer ungeschlachten Schiene steckte) und als Letztem einem hochaufgeschossenen, aber krummrückigen Jungen, der nichts am Leib trug
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