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Gott ist tot

Titel: Gott ist tot
Autoren: Ronald F Currie
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Himmel empor, als wollten sie nach dem Wetter schauen, scheuchten dann ihre Kinder auf und sammelten ihre Habseligkeiten zusammen, während sich im Osten eine unheilverkündende Staubwand verdichtete und die Flugzeuge näher kamen, jetzt in Angriffsformation.
    Gott richtete sich in die Hocke auf, zog die Decke fest um seine Schultern und wartete. Die Dinka liefen immer panischer durcheinander. Sie stürzten zum Brunnen, um einen letzten Schluck Wasser zu trinken, und machten ihre wenigen Ziegen und Esel los. Eine Frau verlor vor lauter Eile einen Schuh, aber statt innezuhalten und den anderen auch abzustreifen, humpelte sie weiter, so schnell sie konnte, ihre kleine Tochter am Handgelenk mit sich ziehend. Die, die zu spät dran waren, ließen einfach alles stehen und liegen und rannten davon.
    Sonnenlicht glitzerte auf den Flügelspitzen der Flugzeuge. Aus der Staubwand ein Stück hinter den Flugzeugen hörte Gott die ersten gedämpften Maschinengewehrsalven. Der Boden begann ganz leicht zu schwingen.
    In hunderterlei Dialekten riefen die im Lager Zurückgebliebenen, nun, da sie sich in der Falle wussten, Gott an. Er lachte und weinte zugleich. So viele Namen hatte er und konnte doch auf keinen antworten.

    Die Flugzeuge donnerten über sie hinweg. Sie neigten sich vornüber und warfen ihre Last ab. Gott gönnte ihnen keinen Blick. Er starrte auf den Staubsturm, aus dem große schwarze Pferde auftauchten wie Geisterrosse, mit schweißglitzerndem Fell und zornig geblähten Nüstern. Die Reiter dieser Rosse schwangen messerscharfe Klingen und zielten mit ihren Gewehren. Ihre Gesichter waren hinter gewürfelten Tüchern verborgen. Die Bomben zischten und pfiffen. Die Erde bebte. Gott schloss die Augen und wünschte, es gäbe jemanden, zu dem er beten könnte.

Die Brücke
    Und es werden Zeichen geschehen an Sonne und Mond und Sternen.
    Lukas 21,25

    D ani Kitchen fuhr die übliche Strecke heim zu ihrer Mutter, durch die struppigen Felder, die sich beidseits der Route 201 bis zum Horizont dehnten. Die Sonne rollte prall neben ihr her, hoch am Himmel selbst noch spätnachmittags, und die Asphaltdecke schimmerte in der Entfernung wie verschüttetes Benzin. Hohe Gräser, Schilfrohr und Teichkolben nickten im warmen Wind, im Wechsel mit Erdbeerbeeten und Äckern voll jungem Mais, der ihr vorerst gerade nur bis zur Taille reichte, aber der Ende August, wenn sie von hier fortging und in Chapel Hill zu studieren begann, zweieinhalb oder drei Meter hoch stehen würde.
    Ausnahmsweise war Dani nicht in Eile und blieb mit ihren gemächlichen fünfzig Meilen sogar unter dem Tempolimit. Der Fahrtwind vom offenen Fenster zerzauste ihr die Haare. Eine blonde Strähne schlug ihr gegen die Wange, fand Halt in der Feuchtigkeit am Mundwinkel und blieb dort kleben. Statt sie hinters Ohr zu streichen, lachte Dani, fing sie mit der Zunge ein und saugte den leicht bitteren Shampoogeschmack heraus, der vom morgendlichen Waschen noch in den Haarspitzen hing.
    Auf dem Rücksitz ihres Grand Am lagen als zerknittertes weißseidenes Häuflein Hut und Talar von der Schulabschlussfeier. Ihr Zeugnis, schon jetzt vergessen, war auf den
Boden hinuntergerutscht, wo es sich den Platz mit Pepsidosen, einem längst überfälligen Leihvideo und den Lehmstollen des letzten Winters teilte.
    Sie fuhr an Shores’ Farm vorbei, wo sie zweimal im Monat für ihre Mutter Fleisch holte: Carol, der alte Farmer, verkaufte Steaks und Schweinehälften, milden Käse und Sandwichschinken direkt vom Hof, alles von ihm selbst geschlachtet, zerlegt, geräuchert und abgepackt. Er kannte von Kindesbeinen an nichts anderes; den Hof hatte er von seinem Vater geerbt, und jetzt war er Mitte siebzig. Er wollte an einen Bauunternehmer verkaufen, hieß es, der auf seinem Land eine Wal-Mart-Filiale aufmachen würde. Es stank nach Scheiße und Blut bei Carol, aber Dani fuhr gerne hin; sie mochte seine Art, seinen bedächtigen Humor - irgendwie war er nicht nur der Mann, der die Farm bewirtschaftete, fand sie immer, er war die Farm selbst. Dani rief den Kühen einen Gruß zu und drückte auf die Hupe, aber sie ließen sich nicht stören, sondern mampften nur weiter, geruhsam und gedankenschwer.
    Sie lachte noch einmal und fuhr an ihnen vorbei.
    Mit der einen Hand trommelte sie rhythmisch auf das Lenkrad. Mit der anderen griff sie nach ihren Zigaretten in dem Fach zwischen den Sitzen. Sie zündete sich eine an und inhalierte tief und ohne Gewissensbisse, denn Dani war ein von Grund auf
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