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Gott ist tot

Titel: Gott ist tot
Autoren: Ronald F Currie
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er sich auf jede nur erdenkliche Weise wie ein Weißer verhält.«
    Gott sagte nichts. Stattdessen tat er das, was er immer tat - das einzig wirklich in seiner Macht Stehende: mitfühlen, mitfühlen.
    »Der ranghöchste, mächtigste Hausnigger aller Zeiten«, sagte Powell. »Das bin ich.«
    Später in der Nacht jedoch, als die heruntergebrannten Feuer die Luft mit dem schweren Honigduft schwelender Asche sättigten, als die Gespräche ringsum eins nach dem anderen verstummten und an ihre Stelle das sachte Atmen von vierzigtausend Menschen trat, die unter einem paillettenbesetzten Himmel alle den gleichen Traum träumten - später in der Nacht musste Powell sich eingestehen, dass sein politischer Selbstmord heute nicht nur der verspäteten Rückbesinnung auf seine Wurzeln geschuldet war, sondern etwas
Einfacherem, Greifbarerem: der Sehnsucht nach Wiedergutmachung.
    Denn was er aus Ritas Stimme gehört hatte, war nicht Dankbarkeit gewesen. Nein. Was da aus Schall in elektrische Signale umgewandelt, Tausende von Meilen per Telefonkabel befördert und dann von Satellit zu Satellit übertragen worden war, um zuletzt in sein Telefon geleitet und in Schall zurückverwandelt zu werden, das war reiner, unverfälschter Schmerz. Frisch aufgeflammter Schmerz über Keith’ Tod, das auch, aber mehr noch der Schmerz darüber, die Wahrheit erst jetzt zu erfahren, wo nichts mehr zu machen war.
    Und nun war dieses schöne, seltsame Mädchen aufgetaucht, diese Sora, deren einziger Wunsch es war, ihren Bruder zu finden. Zumindest im Moment stand es noch in Powells Macht, ihr dabei zu helfen. Und er wollte verdammt sein, wenn er es nicht versuchte.
     
    Wochen später fand sich der ranghohe Ministerialbeamte (der nie sonderlich beliebt gewesen war, gerade weil er so verzweifelt um Beliebtheit buhlte) als begehrter Gast jeder Cocktailparty und jeder informellen Runde im Großraum Washington wieder, und überall durfte er seine Insider-Version vom Abgang des Exaußenministers zum Besten geben.
    »Es kam völlig aus dem Nichts heraus«, verriet er einer Gruppe junger Juristen aus dem Außenministerium während der Happy Hour im Hawk & Dove. Inzwischen hatte er so viel Routine beim Erzählen, dass er gar nicht mehr groß nachdenken musste, sondern einfach die ungeteilte Aufmerksamkeit all dieser Menschen genoss (ganz besonders die einer gertenschlanken Blondine, die noch jung genug war, um mit lustloser Nonchalance eine Zigarette nach der anderen zu rauchen, und die, wie er noch in dieser Nacht entdecken
sollte, ein im weitesten Sinne Pentagon-förmiges Muttermal in der linken Kniekehle hatte). »Es ging auf dem Flug in den Sudan los, ohne jede Vorwarnung. Powell bekam einen Anruf von irgend so einer alten Schachtel, die er noch aus seiner Kinderzeit kannte. Die ganze Sache«, sagte der Beamte, »fing mit einem Anruf an.«
    Ein kollektiver Seufzer der Ungläubigkeit. Mehrere in der Gruppe nutzten die Kunstpause, um an ihren Microbrews und Cosmopolitans zu nippen.
    »Wie konnte sie ihn überhaupt zu fassen kriegen?«, wollte die Blondine wissen.
    »Seine Frau hat sie durchgestellt«, sagte der Beamte. »Offenbar hatte sie es erst bei Powell daheim versucht.«
    Noch ein Seufzer. Gläser klirrten. Zigarettenspitzen flammten auf.
    »Ich werd verrückt«, sagte jemand.
    Der Beamte zog die Brauen hoch und zuckte die Achseln.
    Ein Anwalt, dessen füchsische Züge dem Beamten vage vertraut vorkamen, schaltete sich ein: »Wollen Sie damit sagen, der Mann, der nur mit dem Finger hätte schnippen müssen und er wäre der erste schwarze Präsident geworden, ist über den Anruf einer Kindergartenflamme gestolpert?«
    Der Beamte lächelte. »Ich will damit sagen, dass er mich nach diesem Anruf zum ersten Mal als schlappschwänzigen weißen motherfucker tituliert hat. Aber keineswegs zum letzten Mal.«
     
    Der Morgen brach über dem Flüchtlingslager an, klar und sengend, und fand Gott zusammengekauert am Eingang des Konferenzzelts, in eine wollene Militärdecke gehüllt. Die Entzündung wütete in seinem Blut. Vom Fieber geschüttelt, sah er Frauen in leuchtend roten und grünen Gewändern Plastikeimer
voll Wasser auf dem Kopf balancieren. Andere saßen in einer Essensschlange, die so lang war, dass ihr Ende im dichten Gewirr der Hütten verschwand. Diese Frauen standen vom Boden auf, als Powell erschien, begleitet von dem Ministerialbeamten und zwei Geheimagenten. Eine Welle von Gesang und Applaus folgte Powell auf seinem Weg zum Konferenzzelt. Gott
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