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Gott ist tot

Titel: Gott ist tot
Autoren: Ronald F Currie
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auf der Rückbank des Land Rover saß, war am Morgen gar nicht aufgefallen, dass die Straße vom Flüchtlingslager nach El Fasher, ihrem Quartier für die Dauer von Powells Besuch, so holprig war. Aber nun, am Abend, während sie unter der silbernen Sichel eines ganz jungen Mondes über ausgedörrte Schlammebenen rumpelten, schien die Vibration jeder Rille, jedes winzigsten Steinchens in seinem frisch gebrochenen Unterarm ums Tausendfache verstärkt.

    Der junge Adjutant hatte in den wenigen Sekunden, die Ismail gebraucht hatte, um ihm kühl und geübt die rechte Speiche zu durchtrennen, gleich mehrere Lektionen gelernt.
    1. Ismails berühmtes Lächeln unterschied sich durch nichts von dem Lächeln eines Haifisches.
    2. Hinter Ismails schmalem Wuchs verbarg sich schier unglaubliche Körperkraft.
    3. Es war unklug, Ismail anzusprechen, wenn er gerade von einem ausländischen Diplomaten gedemütigt worden war, besonders, wenn dieser Diplomat aus Amerika kam.
    Schmerz bildet. Der Adjutant hatte seine Lektionen so verinnerlicht, dass er jetzt keinen Mucks von sich gab. Sosehr der Wagen auch ruckelte und bockte, so qualvoll auch die gesplitterten Knochenenden aneinanderrieben, nicht das leiseste Wimmern entfuhr ihm.
    Schließlich brach Ismail selbst das unangenehme Schweigen.
    »Ruf Rahman an«, befahl er dem Adjutanten. »Sag ihm, seine Leute haben bis morgen Mittag, um den Jungen zu finden.«
    Der Adjutant erwog kurz zu fragen, ob er dem Befehl mit irgendeiner konkreteren Drohung nachhelfen solle, sagte sich dann aber, eigener Erfahrung eingedenk, dass dies im Zweifel nicht nötig war.
    »Ja, Doktor«, sagte er gepresst.
    »Wir liefern den Jungen an Powell aus«, sagte Ismail. »Er wird zufrieden sein, und er wird verschwinden. Aber in der Minute, in der die Räder seines Flugzeugs von der Startbahn abheben, lasse ich die Dschandschawid von der Leine. Und ich pfeife sie nicht eher zurück, bis nicht jeder einzelne Dinka in diesem Lager tot ist.«

    »Ich habe nie an meinen Entscheidungen gezweifelt«, vertraute Colin Powell Gott an. »Nicht als Kind, nicht in Vietnam, nicht als Generalstabschef. Haufenweise Anlässe, mich zu fragen, ob ich richtig handle. Siebenundsechzig Jahre, eine Karriere wie aus dem Bilderbuch - und nie habe ich auch nur einen Schritt von mir hinterfragt. Und dann, auf dem Flug hierher, bekomme ich plötzlich einen Anruf - einen stinknormalen Telefonanruf, vielleicht drei Minuten lang -, und auf einmal bin ich mir sicher, bomben sicher, dass jede Entscheidung in meinem Leben bislang falsch war.«
    Powell hockte im Schneidersitz auf dem Lehmboden des Konferenzzelts. Gott lag auf einer Pritsche, die Powell hatte bringen lassen, nachdem er den ranghohen Ministerialbeamten davon informiert hatte, dass sie nicht in das Hotel in El Fasher zurückkehren würden. Draußen, jenseits des Rings wachestehender Secret-Service-Agenten, hörten sie die murmelnden Stimmen der Dinka-Familien, das Zischen und Knacken von Lagerfeuern, das Seufzen des gleichmäßigen Steppenwindes.
    »Außer dass ich Alma geheiratet habe«, sagte Powell. »Das war richtig. Aber abgesehen davon …«
    Obwohl er sich zutiefst verantwortlich fühlte für die Umstände, die Powells Selbstvertrauen so schwer erschüttert hatten, war Gott müde, zermürbt von Schuld und von einer Blutvergiftung von der Wunde in seinem Bein, und er ertappte sich bei dem Wunsch, Powell möge den Mund halten, so dass er schlafen könnte.
    Aber die Schuldgefühle obsiegten doch, und Gott fragte: »Von wem war der Anruf?«
    Powell beugte sich schwerfällig vor und seufzte. »Von einer Frau namens Rita, die ich kannte, als wir beide noch Kinder waren. Ihr Bruder Keith und ich waren Freunde. Keith
kam ums Leben, und ich war der einzige Mensch, der wusste, wie es passiert war. Aber ich habe es nie jemandem verraten.«
    Einen Moment lang schwiegen beide.
    »Rita ist jetzt in einem Pflegeheim in South Carolina. Sie hat Leberkrebs«, sagte Powell.
    »Haben Sie es ihr erzählt?«, fragte Gott.
    »Ja.«
    »Und wie fühlen Sie sich jetzt?«
    Powell sah auf. »Grauenhaft«, sagte er.
    »Ich bin sicher, Rita ist Ihnen dankbar«, sagte Gott. »Jetzt weiß sie endlich, was damals mit ihrem Bruder passiert ist.«
    »Und zum ersten Mal frage ich mich«, fuhr Powell fort, »wie wird ein Mann der erste schwarze Sicherheitsberater des Präsidenten? Wie wird ein Mann der erste schwarze Generalstabschef? Wie wird ein Mann der erste schwarze Außenminister? Und ich sage mir: indem
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