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Google-Mitarbeiter Nr. 59

Google-Mitarbeiter Nr. 59

Titel: Google-Mitarbeiter Nr. 59
Autoren: Douglas Edwards
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Google-Features, und eine Reaktion gegenüber den Usern wegen JewWatch, einer antisemitischen Hassseite, die wir als Top-Suchergebnis bei dem Wort »Jude« zeigten. Ich spürte, wie in meinem Leben »­die Zeit angehalten wurde«, eine Auswirkung der Matrix- Filme, bei denen alles bis zur Zeitlupe verlangsamt wird, während sich die Wahrnehmung der Zeit durch den Protagonisten erweitert, sodass er sogar Kugeln auf sich zufliegen sehen kann (Bullet Time). Ich agierte mit Spitzen-Leistungsfähigkeit. Jeder Tastenanschlag, jede Äußerung, jeder Gedanke brachte mich näher ans Ziel. Ich verlor den Überblick, wie viel Espresso ich trank, aber ich erinnere mich daran, dankbar gewesen zu sein, dass wir mehr als eine Maschine hatten – und dass jede zwei Tassen gleichzeitig zubereiten konnte.
    Das Letzte, was ich also fünf Tage vor der Einführung von Gmail hören wollte, war, dass wir eine Witzveranstaltung daraus machen würden. Es wäre nicht der erste Aprilscherz, dazu diente meine Idee von einem Google-Büro auf dem Mond – aber die Führungsmannschaft hatte entschieden, dass wir eine Mischung aus Ernst und Scherz wählen sollten.
    Es würde eine sachliche Presseerklärung geben, aber mit genügend humoristischen Elementen, um die Leute ins Grübeln zu bringen, ob Gmail nun echt war. Im Vorfeld würden wir ein paar Journalisten briefen, aber nur unter der Bedingung, dass sie lustige Geschichten über die Einführung schreiben würden. Und wir würden den Slogan aufnehmen, den Larry sich ausgedacht hatte: »Gmail. Es fühlt sich gut an.«
    Cindy war in Deutschland und meistens offline, sie hatte PR-Director David Krane mit der Aufgabe zurückgelassen, »die Dinge zu nehmen, wie sie kommen«. »Mir war klar, dass wir mit den Leuten spielten und Beziehungen herausforderten, wenn wir ein Kommunikationsmittel auslieferten, das auf diese Weise beschrieben wird«, erinnert er sich. »Aber Sergey bestand darauf. Ich hatte das Gefühl, wir sollten uns absichern und ein paar bewährte Strategien aufmarschieren lassen, falls die Dinge schiefgingen, weil niemand unseren Humor verstand.«
    David empfahl, ein paar vertrauenswürdige Journalisten und Analysten einzuweihen, damit wir am Tag der Bekanntmachung die Leute an diese verweisen konnten, wenn Fragen zu Gmails potenziellen Auswirkungen auf die Branche auftauchten. »Auf keinen Fall!«, hatte Sergey zu ihm gesagt. »Es ist ein Scherz. Wir wollen alle überraschen. Niemals. Ganz klar: Nein.«
    Währenddessen verbrachte Dennis Hwang den Tag vor der Einführung damit, sich Ideen für ein Logo auszudenken und dieses in Verbindung mit der clownfarbigen Google-Marke funktionieren zu lassen. Ich schlug vor, er solle Google grau färben und das Gmail-Logo die Unternehmensfarben tragen lassen. Selbst nach vier Jahren bei Google fand ich es erstaunlich, dass ein junger Spund Anfang 20 allein an seinem Tisch saß, Tee schlürfte und das Hauptmarkenelement für ein Produkt entwickelte, das von Millionen Menschen genutzt werden würde – in der Nacht vor der Einführung.
    In dem Moment kam Sergey vorbei und fragte, ob wir vielleicht einen Fehler machten, Gmail als Witz einzuführen. Das hatte ich ihm oft genug versichert, aber nun, nachdem wir so hart darauf hingearbeitet hatten, kamen mir Zweifel. »Nein«, sagte ich. »Es ist kein Fehler. Es ist witzig, ich halte es nur für eine verpasste Chance. Wenn die Leute es für einen Scherz halten, dann nehmen sie es vielleicht nicht ernst, wenn wir ihnen sagen, dass es kein Scherz sei.« Das überzeugte ihn nicht, wie mir von vornherein klar gewesen war. Wir plauderten noch ein paar Minuten, dann schlenderte er weiter.
    Während der Druck in den verbleibenden Stunden stieg, kamen noch andere Cracks vorbei. Es gab Fehlkommunikation und verlorene Bälle. Prob­leme mit der Versionskontrolle auf Dokumenten. Hektische Überarbeitungen. Ein paar schlechte Grundannahmen. Ich entschuldigte mich bei unserem wachsenden Team von Textern für meine Launenhaftigkeit und versicherte ihnen, dass sie großartige Arbeit leisteten. Besorgniserregender war, dass einige Techniker meinten, der Service selbst sei noch nicht so weit. Paul bat um mehr Server, um Kapazitäten hinzuzufügen.
    »Wir führten es mit ein paar hundert Geräten ein«, erzählte er mir später. »Wir führten es nahezu ohne Hardware ein. Wir waren in der Lage, ein paar Googler und eine Handvoll anderer Leute zu unterstützen. Das Ding, das wir einführten, existierte kaum.«
    Um 4 Uhr
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