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Google-Mitarbeiter Nr. 59

Google-Mitarbeiter Nr. 59

Titel: Google-Mitarbeiter Nr. 59
Autoren: Douglas Edwards
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früh am 31. März ging die Presseerklärung raus. Wir hatten den Rubikon überschritten.
    Fast sofort begannen die Telefone in der PR-Abteilung zu klingeln. Nachdem die Reporter ihren Ärger über die Mehrdeutigkeit unserer Bekanntmachung überwunden hatten, waren sie beeindruckt. Ihre Geschichten am nächsten Tag waren positiv. Wir waren gerade noch mal so davongekommen. Cindy war begeistert über den neuen fröhlichen Ton und Stil unserer Pressearbeit, obwohl sie es unglücklich fand, am 1. April damit begonnen zu haben.
    Am 1. April setzten 250.000 User ihren Namen auf die Warteliste für Gmail-Accounts.
    Und dann begannen die Dinge aus dem Ruder zu laufen.
    Reporter beschwerten sich bei Cindy, wir hätten die Bekanntmachung falsch gehandhabt. Eine mit ihr befreundete Journalistin hatte den Leuten versichert, dass es sich nur um einen Scherz handle, und war peinlich berührt, als sie merkte, dass sie sich geirrt hatte. Noch mehr als die meisten anderen Menschen lassen sich Reporter nicht gern dabei erwischen, dass sie sich geirrt haben. Cindy geriet heftig unter Beschuss, aber das war noch nicht das Schlimmste.
    Die Anzeigen in Gmail, ausgerichtet auf die Nachrichten in ihrem Posteingang, machten den Leuten Angst. Sie mochten es nicht, dass Gmail ihre Post las, um ihnen zielgerichtete Anzeigen zu servieren. Sie bezeichneten das als gruselig und ein Eindringen in ihre Privatsphäre. Im Fernsehen und Internet tauchten Berichte auf über Googles neues, furchterregendes E-Mail-System. Conan O’Brien witzelte in seinem Monolog darüber. Was wollte Google überhaupt mit E-Mails? Sie waren doch eine Suchmaschine. Jene, die die Regierung gedrängt hatten, die Werbeagentur DoubleClick zu bestrafen, weil sie das Online-Verhalten der User ausspioniert hatte, warfen Gmail in denselben Topf. 117 Schlimmer noch. Wir lasen die E-Mails der Leute.
    Am 12. April gab die Senatorin von Kalifornien, Liz Figueroa bekannt, dass sie ein Gesetz einführen würde, um Gmail zu verbieten. Sie hatte keinen Gmail-Account. Fast niemand hatte einen. In einer Presseerklärung zitierte sie aus einem Brief, den sie an Google geschickt hatte. »Ich kann Sie gar nicht dringend genug ersuchen, diese scheußliche Idee fallen zu lassen. Ich glaube, Sie steuern auf eine Katastrophe mit immensen Ausmaßen zu.«
    Als Sergey die Senatorin anrief, um ihr zu erklären, dass Gmail-Anzeigen automatisch von Computern platziert wurden, auf dieselbe Weise, auf die sie auf Viren überprüft würden, wollte sie die Details gar nicht hören. Tatsächlich mochte sie keine E-Mails, so sagte sie ihm, und sie wollte ganz sicher nicht, dass ihre von Google gescannt wurden.
    Ich hatte nie von Liz Figueroa gehört, aber ich informierte mich online über sie und stellte fest, dass ihre Amtszeit bald auslaufen würde. Ich fragte mich, ob sie vielleicht darauf spekulierte, die nächste Wahl zu gewinnen, 118 wenn ihr Name mit einem Pro-Kunden-Problem in Zusammenhang gebracht wurde.
    Ein Gesetz gegen Gmail wäre ganz sicher ein Problem, aber es würde keine Rolle spielen, wenn wir weiterhin von privaten Gruppen und der Presse angegriffen wurden. Es würde sich sowieso niemand für den Service anmelden.
    Am Tag nach Figueroas Ankündigung flog ich nach Washington, DC. Die Reise hatte nichts zu tun mit Gmail. Die Schwester meiner Mutter war gestorben und ich würde an der Beerdigung teilnehmen. Es war für mich eine emotionale Erfahrung während einer sehr stressigen Zeit. Als ich am Grab stand, fand all der Druck, der sich in mir aufgebaut hatte, ein akzeptables Ventil. Als ich eine Handvoll Erde auf den Sarg meiner Tante warf und er hinuntergelassen wurde, weinte ich hemmungslos. Zum scheinbar ersten Mal seit langer Zeit umarmte ich meine Mutter und meine Schwester. Bei all dem, was sich ereignete, hatte ich keine Chance, durchzuatmen, geschweige denn die Ereignisse zu verarbeiten, die auf mich einstürmten. Ich wusste, dass die Lawine neuer Probleme sich zu Hause während meiner Abwesenheit auftürmte.
    Als ich ins Büro zurückkehrte, hatte sich die Atmosphäre verändert. Ich spürte Trübsinn, Schuldzuweisungen und Frustration über die negative Reaktion auf die Anzeigen in Gmail. Sergey lief in seinem Büro hin und her wie ein Tiger in seinem Käfig, befahl uns, ein Krisenzentrum einzurichten, um mit dem Problem umzugehen, verlangte, mehr Informationen auf die Site zu stellen, und bestand darauf, dass wir jedem erzählten: »Es gibt kein Datenschutzproblem.«
    Diese Sicht
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