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Goldfieber

Goldfieber

Titel: Goldfieber
Autoren: Andreas Gößling
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würde. Und wie unser Herr springe ich mit einem Satz in die schwarzen Fluten hinab und rufe: »Auf zu neuen Ufern!«
- 7 -
    Als über Texcoco auf der anderen Seeseite die Sonne aufgeht, sitzen wir unweit dem Westufer im Gras unter einem gewaltig großen Baum. Seine Blätter sind so fein wie Vogelfedern gefächert und bewegen sich flirrend im leichten Wind. Wir – das sind Cortés und seine Vertrauten, Tapia und Guerrero, Marina und die beiden Patres, Diego und ich. Der Rest unseres grausam geschlagenen Trupps lagert im Gras um uns und den Baum herum.
    Von den mehr als Tausend Mann, die sich um Mitternacht aus dem alten Königspalast davongestohlen haben, sind nur noch rund dreihundert am Leben. Wir haben fast alle unsere Pferde verloren, sämtliche Geschütze und fast alles Gold. Von unseren tlaxcaltekischen Verbündeten haben weniger als Hundert überlebt, darunter Prinz Xicotencatl. Viele unserer Männer sind ertrunken, weil die Goldbarren in ihren Taschen sie zum Grund des Sees hinabzogen. Unsere gesamte Nachhut mit allen sechzig Reitern und sämtlichen Fußsoldaten wurde bei der ersten Bresche im Dammweg von den Azteken regelrecht abgeschlachtet. Die Toten und Verwundeten häuften sich in der Lücke schon meterhoch übereinander – da rannten Portocarrero und Alvarado über diesen makabren Steg aus Leibern hinweg und waren gerettet. Doch sie ließen unzählige ihrer Männer im Stich. Noch von weit draußen auf dem See hörten wir sie wehklagen und schreien. »Bringt uns um, ihr Hunde! Erschlagt uns, wie unsere Kameraden!«, schrien sie. Und kurz darauf: »Alvarado, du verdammter Feigling, komm zurück! Sie bringen uns zu ihren Teufelspriestern!«
    Doch schließlich verstummten ihre Schreie, so wie endlich auch alle anderen Kampfgeräusche erstarben. Aus irgendeinem Grund gaben sich Cuitláhuacs Krieger damit zufrieden, dass sieuns aus ihrer Stadt vertrieben hatten. Vielleicht glaubten sie, dass von uns keine Gefahr mehr ausging, oder ihre Vorstellungen von ehrenvollem Verhalten hinderten sie, einen bereits besiegten Gegner vollständig zu vernichten.
    Aber wozu sollten sie sich diese Mühe auch machen? Wir sind geschlagen und werden uns niemals mehr von dieser Niederlage erholen – davon ist nach dieser schrecklichen Nacht gewiss jeder von uns überzeugt. In tödlichem Schweigen sitzen oder liegen wir da, während die Sonne langsam am Himmel emporsteigt.
    Cortés sitzt mit dem Rücken an den mächtigen Baumstamm gelehnt, so starr, so grau, als ob auch er nicht mehr unter den Lebenden weilte. Irgendwann am späten Nachmittag rafft er sich auf und geht zum Seeufer zurück und bleibt dort lange stehen, wieder so reglos wie eine Säule aus Stein.
    Der Abend dämmert schon, als er zu uns zurückkehrt. »Diese Nacht verbringen wir noch hier unter freiem Himmel«, verkündet er. »Morgen früh beim ersten Tageslicht ziehen wir weiter. Wir marschieren auf der Nordseite um den See herum. Dieser Weg ist weiter und beschwerlicher, als wenn wir den See auf der Südseite umgehen würden. Aber gerade deshalb wird Cuitláhuac nicht damit rechnen und so werden wir unbehelligt nach Tlaxcala gelangen.«
    Er wölbt seine Brust und reckt sein Kinn vor. Seinen Hut hat er in der Schlacht verloren, sein Umhang ist zerfetzt und verschmutzt. Doch seine Augen funkeln schon wieder vor Tatendurst.
    »Was wir hinter uns haben«, fährt er fort, »ist eine Nacht der Niederlage. Eine Nacht so schwarz vor Schmerz und Schmach, wie sie bis dahin wohl keiner von uns erlebt hat. Noch drücken Entkräftung und Trauer uns alle nieder. Aber hört mich an! Wir werden uns das Gold aus der Tiefe des Sees zurückholen – und alle Goldschätze, die noch in Tenochtitlan versteckt sind, dazu. Als Erstes werden wir in Tlaxcala neue Kräfte sammeln. Dann werden wir mit Tausend tlaxcaltekischen Trägern nach Vera Cruzgehen und dort einige unserer Schiffe zerlegen. Die Tlaxcalteken werden die Schiffsteile in ihre Hauptstadt tragen und dort werden unsere Zimmerer uns leichte Schiffe bauen, die hier auf dem See manövrieren können.«
    Er hat alles schon wieder vorausberechnet!, denke ich, während Cortés unablässig weiterspricht. Neue Zuversicht durchströmt mich, und ich spüre, dass es auch den anderen so geht. So als ob wir alle bereits frische Kräfte gesammelt hätten, rappeln wir uns auf und umringen unseren Kapitän-General.
    »Diese Schiffe werden wir mit Geschützen bestücken und drüben bei Texcoco zu Wasser lassen«, erklärt uns Cortés. »Und
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