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Gohar der Bettler

Gohar der Bettler

Titel: Gohar der Bettler
Autoren: Albert Cossery
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Gerechtigkeitsfanatiker war.
    »Ich kann nicht zulassen, daß sie so weiterlebt«, sagte er nach einer kleinen Pause. »Ich muß etwas unternehmen. Gib mir einen Rat, wenn nicht, bringe ich mich um.«
    Gohar antwortete nicht sofort. Er lutschte immer noch an seiner Pfefferminzpastille und fand Gefallen an diesem Ersatz, der ihn den quälenden Gedanken an die Droge vergessen ließ.
    »Warum willst du dich umbringen?«
    »Verstehst du denn nicht. Ich muß sie aus diesem Bordell herausholen. Ich kann es nicht zulassen, daß sie, krank wie sie ist, weiterhin ihren Körper verkauft. Und dann diese niederträchtige Bordellbetreiberin, diese Set Amina! Stell dir vor, sie erlaubt ihr noch nicht einmal, sich zu erholen. Wenn ich an all das Geld denke, das sie ihr einbringt. Eine Schande ist das! Ich werde mich umbringen, sag ich dir.«
    Gohar schien nicht besonders beeindruckt von El Kordis Erklärung. El Kordis Sorgen waren immer von dieser krankhaften und unerbittlichen Art. Im Moment sah er aus, als würde der Kummer der ganzen Welt auf seinen Schultern lasten. Es handelte sich jedoch nur um eine Befindlichkeit, die er sich von Zeit zu Zeit auferlegte, um an seine Würde zu glauben. El Kordi dachte nämlich, daß allein Unglück und Verzweiflung Würde besitzen. Es war die Lektüre westlicher Literatur, die seinen Geist so irregeleitet hatte.
    Die gegenwärtigen Qualen El Kordis verdankten sich dem pathetischen Gesicht einer jungen tuberkulösen Prostituierten, die in einem nahe gelegenen Bordell im Sterben lag. Es handelte sich um ein ziemlich ärmliches Bordell, dessen Kundschaft sich aus den kleinen Beamten und den schäbigen Lebemännern des alten Stadtviertels rekrutierte. Anfangs hatte der junge Mann zwei-oder dreimal mit ihr geschlafen, ohne dem große Bedeutung beizumessen; erst als er erfuhr, daß sie krank war, hatte sich El Kordi, der immer auf der Lauer nach sozialer Ungerechtigkeit lag, unsterblich in sie verliebt. Er hatte sich in den Kopf gesetzt, sie aus dem Bordell herauszuholen und vor einem schmachvollen Tod zu bewahren, aber er besaß nicht genügend Geld, um sich diese Art von Rettungstat leisten zu können. So ersann er unaufhörlich feinsinnige Lösungen für seine unglückliche Liebe. Im Augenblick hatte er sich für Selbstmord entschieden; allerdings schien es, als sollte dies kein unumstößlicher Entschluß sein, denn er fragte:
    »Was soll ich tun?«
    Gohar schwieg; er sah aus, als amüsierte er sich auf eine seltsame Art und Weise. In seinem unbewegten Gesicht spiegelten allein die Augen seine innere Freude wider. Nach einer kurzen Pause sagte er:
    »Hör zu, ich werde dir eine wunderbare Geschichte erzählen.«
    »Was für eine?« fragte El Kordi.
    Gohar erzählte ihm die Geschichte vom Esel Barghout, der wegen seiner großen Weisheit von einigen Bauern in Unterägypten zum Bürgermeister gewählt worden war.
    El Kordi hatte zu lächeln begonnen, sich aber sofort wieder gefaßt. Dies war mit Sicherheit nicht der geeignete Augenblick für Scherze. Man mußte im Gegenteil die Gelegenheit nutzen, um Gohar zu beweisen, daß es im Leben auch ernste Dinge gab. Plötzlich wurde er heftig.
    »Das ist ja entsetzlich«, sagte er. »Was für Barbaren!«
    »Findest du, es sind Barbaren?«
    »Ja. Und die Regierung mißbraucht ihre Unwissenheit.«
    »Aber sie haben deiner Regierung gerade eine ordentliche Lektion erteilt.«
    »Meister, zunächst einmal ist das nicht meine Regierung«, sagte El Kordi erhitzt. »Und dann bevorzuge ich im Kampf gegen die Unterdrückung andere Methoden. Du wirst wohl zugeben, daß es ernste Dinge im Leben gibt.«
    »Wo siehst du etwas, was ernst ist, mein Sohn?«
    Auf der Suche nach einem Beispiel für Ernst oder Größe schaute sich El Kordi instinktiv um; aber sein Blick blieb lediglich auf einem kleinen, schmutzigen, mit Lumpen bedeckten Kippensammler haften, der seit kurzem in der Nähe ihres Tisches herumschlich und ihr Gespräch belauschte. Er verrichtete sein Geschäft mit der Feierlichkeit eines genau festgelegten Rituals und suchte noch an den entlegensten Stellen nach Zigarettenstummeln. Irritiert durch dieses Umherstreifen, stand El Kordi auf und verrückte seinen Stuhl, damit er den Boden besser absuchen konnte. Trotzdem ging der Junge immer noch nicht weg; er schien wie mit einem unsichtbaren Seil mit ihnen verbunden zu sein. El Kordi setzte sich wieder, und während er den Jungen ansah, sagte er mit einem ironischen und verletzenden Ton in der Stimme:
    »Nun, mein
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