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Gohar der Bettler

Gohar der Bettler

Titel: Gohar der Bettler
Autoren: Albert Cossery
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Bey, trinkst du eine Tasse Kaffee mit uns?«
    »Danke«, antwortete das Kind, »ich habe gerade eine im Cafe Bosporus getrunken.«
    Das Bosporus war ein luxuriöses Cafe in gediegenem Stil, in das El Kordi noch niemals seinen Fuß gesetzt hatte.
    »Hundesohn!« sagte er wutentbrannt. »Verschwinde, oder ich erwürge dich!«
    Das Kind verzog verächtlich den Mund und ging fort. Als es sich ein Stück entfernt hatte, brach El Kordi in Gelächter aus.
    »Hast du das gehört, Meister? Wieviel Witz er hat! Wunderbar, dieses Kind.«
    Gohar lächelte und sah den jungen Mann mit dem Ausdruck wohlwollender Ironie an. Was ihm vor allem an ihm gefiel, war seine ungeheure Bedeutungslosigkeit. El Kordi war ein Revolutionär, er dachte über die Zukunft der Massen und die Freiheit der Völker nach; trotzdem war er bedeutungslos, er entkam dieser lächerlichen Welt nicht. Er mochte gegen die Unterdrückung aufbegehren, sich und ein ganzes Volk verfolgt glauben, aber sobald er instinktiv reagieren mußte, wurde er oberflächlich und gefiel sich in den nichtigsten Handlungen.
    Jetzt schien er seine Verbitterung abgelegt zu haben. Der Zwischenfall mit dem kleinen Kippensammler hatte ihn all seiner Sorgen entledigt; er gab sich einer kindlichen Freude hin. Er empfand lebhafte Befriedigung darüber, mit Gohar zusammenzusein; mit Gohar wurde alles so einfach. Die Gegenwart Gohars machte alle Schwierigkeiten des Lebens hinfällig; die größten Katastrophen schienen plötzlich ungewöhnlich komisch. In seiner Nähe fand El Kordi zu seiner kindlichen Unbefangenheit zurück.
    »Und die Reise, Meister?«
    »Ich vergesse sie nicht, mein Sohn.«
    »Du solltest verreisen«, sagte El Kordi herzlich. »Das wäre wunderbar für dich.«
    Wenn man mit ihm über diese Reise sprach, schloß Gohar die Augen, so als würde die Sehnsucht nach einer weit entfernten Landschaft all seine Aufmerksamkeit erfordern. Verreisen, den Zug nach Syrien nehmen. Das war ein Traum, den er seit langem hegte, der einzige, den er sich zugestand, und das, weil er mit dem Quell seiner Glückseligkeit verknüpft war. In Syrien gab es kein Verbot von Drogen. Das Haschisch wuchs dort frei auf den Feldern, wie gewöhnlicher Klee.
    Gohar hatte diese außergewöhnlichen Tatsachen einst beiläufig erfahren, und seither träumte er unaufhörlich davon. Dieses kleine Nachbarland schien ihm ein paradiesischer Ort zu sein. Es war wirklich ungerecht, dazu verurteilt zu sein, hier zu leben, während nur wenige Stunden entfernt die Droge für jedermann frei zugänglich war. Gohar wägte das gesamte Ausmaß dieser Ungerechtigkeit ab; er konnte es dem Schicksal nicht nachsehen, daß er auf dieser Seite der Grenze geboren war. In seinem tiefsten Innern war er überzeugt davon, niemals in dieses Land zu kommen; und doch lebte er manchmal in Gedanken dort. Für ihn war Syrien der Inbegriff einer Landschaft mit sattgrünem Gras, Gras, das nichts anderes als die Droge in ihrer natürlichen Gestalt, ihrem ersten Aufblühen war. In schwierigen Augenblicken, wenn er schon lange kein Rauschgift mehr bekommen hatte, reichte ihm der Gedanke an diese einfache Landschaft, um sich zu berauschen.
    »Ich kann mir sehr gut vorstellen, wie du riesige Felder mit Haschisch bestellst«, sagte El Kordi.
    »Zunächst einmal müßte ich dort hinfahren«, sagte Gohar. »Und das ist nicht einfach.«
    »Ach ja, das Geld! Hör zu, Meister, ich möchte dich um einen Rat bitten.«
    »Ich stehe ganz zu deiner Verfügung«, sagte Gohar.
    El Kordi gebärdete sich wie ein Verschwörer und sagte:
    »Nun, also, ich muß dieses arme Mädchen retten. Selbst wenn ich dafür zum Dieb werde. Verstehst du, selbst wenn ich zum Dieb werde. Was hältst du davon?«
    Gohar überlegte. Er hatte nichts gegen Diebstahl; alle stahlen. Nur gab es hierbei verschiedene Formen und Nuancen, die El Kordi sicherlich abgehen würden. Er mochte den jungen Mann sehr; es hätte ihm mißfallen, mitansehen zu müssen, wie er im Gefängnis endete. Er würde ihm fehlen. Außerdem war El Kordi nicht in der Lage, der Sicherheit, die einem das Gefängnis bot, die entsprechende Wertschätzung entgegenzubringen, er würde sich seelisch aufreiben und sich idiotische Gedanken über die Freiheit machen. Trotzdem hielt Gohar es für unnötig, ihm das alles zu erklären.
    »Du überraschst mich«, sagte er. »Ein ehrbarer Beamter wie du!«
    »Dem ehrbaren Beamten, wie du ihn nennst, ist die Feder aus der Hand genommen worden«, sagte El Kordi. »Weißt du, daß
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