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Gohar der Bettler

Gohar der Bettler

Titel: Gohar der Bettler
Autoren: Albert Cossery
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kleinen Dorf in Unterägypten bei den Bürgermeisterwahlen. Als die Regierungsangestellten die Urnen öffneten, bemerkten sie, daß auf den meisten Wahlzetteln der Name Barghout stand. Den Regierungsangestellten war dieser Name unbekannt; er stand auf keiner Parteiliste. Ratlos holten sie Erkundigungen ein, und verblüfft erfuhren sie, daß Barghout der Name eines Esels war, der im ganzen Dorf wegen seiner Weisheit geschätzt wurde. Fast alle Bewohner hatten für ihn gestimmt. Was hältst du von dieser Geschichte?«
    Gohar strahlte vor Freude; er war entzückt. »Sie sind unwissend und Analphabeten«, dachte er, »und doch haben sie das Klügste getan, was die Welt jemals erlebt hat, seit es Wahlen gibt.« Das Verhalten dieser Bauern dort in ihrem abgelegenen Dorf war das ermutigende Zeugnis, ohne das das Leben unmöglich würde. Gohar war gerührt vor Bewunderung. Seine Freude wirkte so nachhaltig, daß er den Bettler einen Augenblick lang ganz entgeistert ansah. Ein Milan hatte sich einige Schritte von ihnen entfernt auf die Fahrbahn gesetzt, pickte mit dem Schnabel auf der Suche nach etwas Verfaultem herum, fand nichts und flog wieder davon.
    »Wunderbar!« rief Gohar. »Und wie endet die Geschichte?«
    »Selbstverständlich wurde er nicht gewählt. Stell dir nur vor, ein vierbeiniger Esel! Was die da oben wollten, das war ein Esel auf zwei Beinen.«
    »Für eine so wunderbare Geschichte verdienst du wirklich eine Belohnung. Du hast mein Herz erfreut. Was kann ich für dich tun?«
    »Deine Freundschaft genügt mir«, sagte der Bettler. »Ich wußte von vornherein, daß dir die Geschichte gefallen würde.«
    »Du erweist mir eine zu große Ehre«, sagte Gohar. »Bis bald, hoffe ich.«
    Gohar wandte sich nach links, bog in eine schmutzige, relativ ruhige Gasse ein und steuerte das Cafe des Miroirs an. Er wußte, daß er zu dieser Tageszeit dort niemanden antreffen würde, aber es gefiel ihm, Wunder herauszufordern.
    Das Cafe des Miroirs lag am Schnittpunkt zweier Gassen; es nahm den größten Teil der Fahrbahn aus gestampftem Lehmboden ein, die für schwere Fahrzeuge gesperrt war und auf der sich lediglich die fliegenden Händler mit ihren Karren zu fahren getrauten. Riesige Zeltplanen waren über seine gewundene Terrasse gespannt, wie bei einem überdachten Markt. Beeindruckend viele Spiegel mit geschnitzten und vergoldeten Rahmen hingen überall, selbst an den Fassaden der umliegenden baufälligen Häuser. Das Cafe des Miroirs war berühmt für seinen grünen Tee und seine erlesene Kundschaft, die aus Fuhrleuten, Intellektuellen und ausländischen Touristen bestand, die es nach Lokalkolorit dürstete. Im Augenblick waren nicht viele Menschen im Cafe. Gohar überquerte die Terrasse und schlängelte sich auf der Suche nach einem Bekannten zwischen den Tischen hindurch. Beinahe regungslos rauchten einige bedeutend aussehende Personen ruhig ihre Wasserpfeifen; andere spielten Tricktrack und nippten an einem Glas Tee. Einige wenige Abkömmlinge vom Stamm der Kippensammler, die vor den anderen aufgestanden waren, widmeten sich mit gutmütiger Sorglosigkeit ihrer Tätigkeit; sie fürchteten keine Konkurrenz.
    »Sei gegrüßt, Meister!«
    Gohar drehte sich um; El Kordi hatte sich halb von seinem Stuhl erhoben und reichte ihm die Hand.
    »Wie!« sagte Gohar. »Bist du heute nicht im Ministerium?«
    »Ich war dort, bin aber sofort wieder weggegangen; ich konnte nicht arbeiten. Meister, ich bin äußerst unglücklich.«
    »Was hast du denn schon wieder, mein Sohn?«
    »Ich war bei ihr«, sagte El Kordi mit einem geheimnisvollen Ton in der Stimme. »Sie ist kränker als je zuvor. Ich habe sie schlafen lassen.« Dann, als er merkte, daß Gohar noch stand: »Aber setz dich doch, Meister.«
    Gohar setzte sich; El Kordi rief den Kellner.
    »Was nimmst du?«
    »Einen Tee«, antwortete Gohar.
    »Für mich das gleiche«, sagte El Kordi.
    Der Kellner entfernte sich wieder, wobei er seine Bestellung mit der singenden Stimme eines Homosexuellen aufgab. Gohar sah El Kordi an, und ein Anflug von Bosheit leuchtete in seinen Augen. El Kordi sah ausgesprochen unglücklich aus, das heißt, er tat alles, um diesen Eindruck zu erwecken. Er war ein gutaussehender junger Mann, sorgfältig gekleidet, mit einem tadellosen Tarbusch, leichten Schlitzaugen und einem sinnlichen und verbitterten Mund. Seine Tätigkeit als einfacher Schreiber in einem Ministerium kränkte seine romantische Seele. Man sah ihm sofort an, daß er zudem ein
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