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Goettinnensturz

Goettinnensturz

Titel: Goettinnensturz
Autoren: Buerkl Anni
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die Ablenkung von allem, was hinter ihr lag, gelungen. Sie hatte nach dem viel besungenen Wolfgangsee Ausschau gehalten, von dessen flaschengrünem Wasser man nicht viel zu sehen bekam. Alles war verbaut, wie oft in Österreich. Umso teurer ließen sich dafür Hotels oder Gasthöfe ihren Seeblick bezahlen.
    Und mit der Ablenkung kehrte die Vorfreude auf Jonas zurück. Ihr Liebster würde sie morgen endlich wieder besuchen. Mehr als zwei Wochen hatte sie ihn nicht zu Gesicht bekommen, fast drei. Seine Absagen hatten sich fast wie Ausflüchte angehört, sie hatte schon gedacht, dass sie ihn mit ihrem Freiheitsdrang vertrieben hatte. Doch er hatte als Abteilungsinspektor der steirischen Kriminalpolizei eben viel zu tun. Ständig wurde Personal eingespart, Planstellen wurden nicht nachbesetzt. Und die Fahrt von Graz ins Salzkammergut dauerte ihre Zeit.
    Vielleicht war es gut, dass sie letzte Nacht allein gewesen war. Dann konnte er keine Fragen stellen. Berenike schüttelte den Kopf über sich selbst. Als stünde sie neben sich, würde jemand anderem zusehen, der tat, was sie getan hatte. Komisches Gefühl, sich dermaßen hinreißen zu lassen. Sie durfte sich jetzt nur nichts anmerken lassen …
    Ihre Gedanken wanderten zu Jonas, wie er in der Tür stehen würde, wie sie den Arm nach ihm ausstrecken würde. Sie spürte fast seine Haut unter ihren Fingern, seine raue Wange an ihrer Wange, und wie sie ihn küssen würde. So ganz oder gar nicht. Es war dieses perfekte kleine Glück – dieser eine Moment, ehe alles zerbrach. Wenn sie später daran zurück dachte, fragte sich Berenike, ob sie etwas geahnt hatte. Und ob sie es hätte festhalten können, das Glück. Und wie.
    Während sie mit immer noch geschlossenen Augen diesem Faden ihrer Verbindung nachspürte, erklärte Ellen etwas über ein nahe gelegenes Gut, das in der Nazi-Zeit arisiert worden und später in den Besitz der Republik übergegangen war. Ohne dass je wer darüber geredet hätte, ob hier Unrecht geschehen sei, ob der Kauf unter Zwang zustande gekommen oder der Preis vielleicht zu gering ausgefallen war. Berenike hörte nur mit halbem Ohr hin, sie kannte solche Geschichten.
    Ellen räusperte sich. »Trotzdem bin ich froh, dass ich hierher gezogen bin. Weißt du, Berenike, ich musste mein Leben umkrempeln.« Ihre Stimme war klarer, härter. Ganz anders als früher, als sie noch mit Sven zusammen gewesen war. Sven – der war eine Nummer gewesen. »Wenn du das miterlebt hättest, wie mich in Hallstatt alle angeschaut haben! Als wäre ich der Mörder, nicht er.«
    »Ist die Scheidung durch?«
    »Ja, alles glattgegangen, mithilfe meiner Rechtsberaterin. Erst wollte ich noch … na ja … ihm eine Chance geben, du weißt schon.«
    Berenike nickte. So etwas hörte man oft von Frauen, deren Partner gewalttätig geworden war. Die Trennung von einem, in den man mal schwer verliebt gewesen war, entschied frau eben nicht so schnell.
    »Dann war mir klar, ich kann mit ihm nie wieder zusammen leben, auch nicht nach seinem Gefängnisaufenthalt. Es war schon lange nicht mehr richtig zwischen uns. Du kennst ja die Geschichte. Hier habe ich von vorne angefangen. Kaum jemand kennt mich, die wenigsten hier wissen etwas über mein früheres Leben.«
    »Ich versteh das«, sagte Berenike. »Ich versteh das gut.« Neues Leben, das kam ihr bekannt vor. Genau das hatte sie sich im Salzkammergut aufgebaut. Nach ihrem wilden Leben in Wien als Eventmanagerin. Heute fragte sie sich, wie sie den Wahnsinn je ausgehalten hatte. Sie würde alles tun, um nicht noch einmal flüchten zu müssen …
    Sie öffnete die Augen und blinzelte gegen das grelle Sonnenlicht an. Der Körper im Wasser schaukelte noch immer an derselben Stelle. Sie konnte nicht einfach weitergehen, als ob nichts wäre. Das kam für sie nicht infrage, auch wenn sie noch so viel Interesse daran haben mochte, nicht mit der Leiche in Verbindung gebracht zu werden. Sie konnte nicht so tun, als ob da gar keine Leiche in der Ischl triebe. Berenike ahnte, ahnte es, wie sie es immer ahnte, dass dieses unförmige, sich mit der Strömung bewegende Etwas nicht nur ein Baumstamm war. Sondern ein Mensch. Ein toter Mensch.
    Tot.
    Das Wort sackte in ihr Herz. Verdunkelte die Umgebung. Sie sah auf, bemerkte eine kleine Wolke, die sich vor die Sonne geschoben hatte. Strobl war die kleinste der Gemeinden am See, weniger bekannt als Sankt Wolfgang mit seinem Weißen Rössl oder Sankt Gilgen, der ehemalige Wohnort von Mozarts
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