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Goettin der Legenden

Goettin der Legenden

Titel: Goettin der Legenden
Autoren: P.C. Cast
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Johnson passiert, die Isabels Weltsicht aus den Angeln gehoben hatte, und aus dieser neuen Perspektive war ihr klargeworden, dass sie sich schon seit einer ganzen Weile selbst belog. Oder richtiger ausgedrückt, dass sie sich schon seit einiger Zeit auf der Suche nach sich selbst befand, weil sie irgendwo mitten in ihrer erfolgreichen Berufslaufbahn, ihrer Gruppe intelligenter, redegewandter Freundinnen und ihrem gleichzeitig aufregenden und doch bequemen Leben sich selbst verloren hatte.
    Genau deswegen befand sie sich ja jetzt hier in der Tallgrass Prairie in Oklahoma und versuchte, sich auf die einzige für sie vorstellbare Weise zu erden – sie sah sich das Leben durch die Kamera an, um einen Weg durch die sich verändernde Landschaft ihres Lebens zu finden. Anfangs schien ihr Plan auch ganz gut zu funktionieren – bis sie ihren Gedanken das Wandern erlaubt hatte und in die Vergangenheit gerutscht war. In der Vergangenheit hatte es gute und schlechte Momente gegeben, Zeiten der Freude und Zeiten voller Ängste. Sie hatte das Gefühl, dass sie irgendetwas brauchte, was sie so aufrüttelte, dass sie wieder Freude empfinden konnte, aber sie kam einfach nicht dahinter, was das sein könnte. Zum Glück schien momentan die Natur von Oklahoma den Zweck zu erfüllen.
    »Also konzentriere dich!«, wies sie sich zurecht und stellte zufrieden fest, dass es ihr ziemlich leichtfiel, wieder zu der Aufgabe, sich diese wunderschöne Landschaft in Fotoformat vorzustellen, zurückzukehren.
    Als sie das Stativ das nächste Mal umstellte, entdeckte sie, dass das Morgenlicht auf einer Wasserfläche reflektierte. Bei genauerem Hinsehen erkannte sie, dass es sich um einen schmalen Wasserlauf handelte, der sich rechts von ihr durch eine kleine Schlucht schlängelte. Solche Variationen in der Landschaft gefielen ihr immer sehr, also machte sie sich auf den Weg dorthin und freute sich, als sie ein sandiges Ufer und einen klaren Bach entdeckte.
    Als sie näher heranging, fiel ein Sonnenstrahl so schräg durch die Bäume, dass ein kleiner Bereich des Baches wie von einem silbernen Scheinwerfer angestrahlt wurde. Und dieses Licht zog sie an wie ein Magnet.
    Sie folgte ihrem Instinkt, ließ das Stativ zurück und kletterte leise und schnell mit der Kamera die Böschung hinunter. Dann kniete sie sich in den Sand, beugte sich dicht über die Wasseroberfläche und schoss ein Bild nach dem anderen, wobei sie den Winkel und den Abstand zum Wasser nach Belieben variierte. Fasziniert von der einzigartigen Qualität des Lichts, ließ sie die Magie des Fotografierens alle traurigen Gedanken an Afghanistan und den toten Soldaten forttragen. Gerade hatte sie ihre Position gewechselt und lag ausgestreckt, die Ellbogen in den Sand gestemmt, auf dem Bauch, als sie am anderen Ufer ein lautes Knacken im Unterholz hörte und ein Bison in Sicht kam.
    Isabel wagte kaum zu atmen, fotografierte aber unablässig weiter, während das riesige Tier ans Wasser trat. Einmal schnaubte es kurz, aber dann ignorierte es sie, senkte seinen schwarzen Kopf und begann, geräuschvoll zu trinken.
    Unwillkürlich fragte sich Isabel, wie sie wohl für den Bison roch. Er hatte seinen Kopf hin und her geschwenkt, bis er sie entdeckt hatte. Da sie zu keinem Zeitpunkt Angst empfunden hatte, konnte es nicht sein, dass sie dadurch seine Aufmerksamkeit erregt hatte. Roch sie vielleicht einfach nach Mensch? Sie hatte kein Parfüm benutzt, und sie lag ganz still, er konnte sie also auch nicht gehört haben.
    Was hatte ihn wohl dazu gebracht, sie so direkt anzuschauen? Und warum erschienen ihr seine Augen so alt und weise? Als er seinen Durst gelöscht hatte, schüttelte er ein paarmal den Kopf, warf Isabel einen unergründlichen Blick zu, wandte sich dann ab und verschwand mit einer Behendigkeit, die sie einem so massiven Tier nicht zugetraut hatte.
    Aufgeregt sah sich Isabel die Aufnahmen an, die sie von dem Bison gemacht hatte. Der große Bulle hatte sich direkt in den Lichtstrahl gestellt, Morgentau sprenkelte sein Fell, so dass es auf dem Bild aussah, als wäre er in einen schimmernden Nebel gehüllt. Und er hatte ihr zugenickt, als würde er ihr seine Zustimmung geben, dass sie ihn fotografieren sollte. Als er sich dann zum Gehen gewandt hatte, war ihr erster Gedanke gewesen, dass jeder Mann neidisch auf das Gemächt zwischen seinen Beinen gewesen wäre.
    Isabel setzte sich auf und lachte laut, unendlich erleichtert, dass die Schönheit und der Frieden dieses alten Landes ihr
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