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Götterfall

Götterfall

Titel: Götterfall
Autoren: Sandra Lüpkes
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schneiden können. Dies war eine der Eigenschaften gewesen, weshalb Zöllner die Stelle bekommen hatte. Und seine absolute Diskretion.
    Silvie vertiefte sich wieder in ihre Arbeit. Eine Anfrage der Bild-Zeitung, es ging um Zukunftsprognosen für Deutschland und Karls Meinung war mal wieder gefragt. Welche Hoffnungen hegt der bedeutendste Mitgestalter der deutschen Einheit dieser Tage für sein Volk? Das Ganze bitte in zwei, höchstens drei Sätze verpackt, mundgerechte Politikhäppchen für eine Leserschaft, die eigentlich lieber Fotos anschaute.
    Zwei Porträts hatte sie bereits in die engere Auswahl genommen, sie lagen vor ihr auf dem ausladenden Walnussholztisch. Auf einem trug Karl einen schwarzen Anzug und schaute ernst an der Kamera vorbei. Nein, wahrscheinlich war das andere die bessere Alternative, damals waren sie gerade aus Südfrankreich heimgekehrt, was seinem Teint gutgetan hatte, zudem wirkte er in dieser hellgelben Strickjacke leger und sah den Betrachter mit optimistischem Blick direkt an, das würde der Zielgruppe eher entsprechen. Nun fehlte nur noch das Zitat.
    Zöllner erschien im Türrahmen. »Entschuldigen Sie die Störung, Frau Hüffart, die Anruferin ist etwas hartnäckig. Sie behauptet, Sie privat zu kennen, und wünscht ein Gespräch.«
    Silvie stöhnte auf. Sie hasste Penetranz. »Hat sie wenigstens ihren Namen genannt?«
    Er schaute auf den Notizblock, den er in den Händen hielt. »Wencke Tydmers.«
    Wencke? Was zum Teufel wollte die denn von ihr? Silvie lehnte sich in ihrem Schreibtischstuhl zurück und drehte sich Richtung Tür. »Haben Sie eine Ahnung, worum es geht?«
    »Sie sagte, es sei etwas Persönliches. Da wollte ich nicht weiter nachhaken.«
    Etwas Persönliches? Wie kann man fast zwei Jahrzehnte nichts voneinander hören und dann auf einmal etwas Persönliches wollen? Wencke Tydmers war ihre Zimmergenossin auf der Polizeischule gewesen, zugegeben, damals hatten sie jeden Tag miteinander verbracht und waren sich dann natürlich zwangsläufig auch privat nähergekommen, doch nach ihrer Abschlussprüfung waren sie getrennte Wege gegangen. Während Wencke, soweit Silvie informiert war, bei der Kripo irgendwo im hohen Norden eine leitende Funktion übernommen und schließlich einen Posten beim LKA ergattert hatte, war Silvie im PR-Bereich tätig gewesen. Zumindest bis zu ihrer Hochzeit vor vierzehn Jahren. Seitdem hatte sie mit der Polizei gar nichtsmehr am Hut. Und wenn sie ehrlich war: Sie vermisste diese Institution nicht im Geringsten. Die Politik war ihr neues Zuhause.
    »Was soll ich dieser Frau sagen?«, fragte Zöllner ein wenig zu ungeduldig für Silvies Geschmack. Es würde Wencke nicht schaden, wenn man sie ein wenig warten ließ, sie war schon immer eine Spur zu forsch gewesen.
    »Sagen Sie ihr, dass mein Mann und ich demnächst auf Reisen gehen und meine Zeit deshalb sehr knapp bemessen ist.«
    »Das habe ich selbstverständlich bereits erwähnt.«
    Silvie wandte sich wieder dem Schreibtisch zu, beugte sich vor und rief auf dem Bildschirm ihren Terminkalender auf. Sie fand eine kleine Lücke am nächsten Tag. Die musste genügen.
    Zöllner verschwand an seinen Arbeitsplatz, doch sie lauschte dem Gespräch. Der Anruf machte sie aus unerfindlichen Gründen nervös.
    »Hören Sie?«, schnarrte ihr Sekretär gekonnt unfreundlich. »Wie gesagt, Frau Hüffart hat absolut keine Zeit und bietet Ihnen einen Telefontermin morgen um 18.35 Uhr an. Entweder geben Sie sich damit zufrieden, oder ich muss Sie bitten, Ihr Anliegen schriftlich vorzutragen.« Er schwieg kurz, dann sprach er weiter und es klang, als habe er die Anruferin barsch unterbrochen. »Frau Tydmers, dies ist kein gewöhnlicher Telefonanschluss. Es ist nun einmal etwas anderes, ob Sie mit einer ehemaligen Schulkameradin plaudern wollen oder mit der Frau eines Spitzenpolitikers. Hier gibt es keine Ausnahmeregelung. Ich biete Ihnen das Gespräch morgen Abend oder den Postweg, habe ich mich jetzt deutlich genug ausgedrückt?« Sie hörte ihn ächzen, er setzte mit einem verzweifelten »Aber …« an, doch schließlich stand er wieder in der Tür. »Sie hat mich gebeten, Ihnen auszurichten, dass sie eine Nachricht erhalten habe. Von einer Doro.«
    »Wie bitte?«
    Erneut brauchte er seinen Notizblock zur Orientierung. »Wencke Tydmers hat einen Brief von … Dorothee Mahlmann bekommen!«
    Silvies Mund wurde trocken. Sie nickte Zöllner zu, er verstand und stellte das Gespräch durch. Seiner Mimik war anzumerken, dass er
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